Zwei alte Kekse
1. Sonntag nach Trinitatis
Von Alfried Hopfgarnter
Ev. Schulpfarrer am Gymnasium auf der Karthause
Mitten in den Pfingstferien, die am Montag enden, zeigt sich das Wetter launisch. Regen und Sonne, doch beides ist genau das Richtige für die erwachte Natur. Überall blüht und grünt es. Wir kommen in Bewegung. Die Leistungsgesellschaft lässt uns für einige Tage vom Haken. Neben die tägliche Sorge angesichts der rasanten Veränderung unseres Lebens und neben das Gefühl mit den riesigen weltumspannenden Problemen in eine Abwärtsspirale geraten zu sein, tritt dennoch die Freude diese schönen Tage zu erleben. Aber es ist gar nicht so einfach von unserem täglichen Getriebe mit seinen Mühen und Sorgen abzulassen. Ich habe mich deshalb immer gewundert, dass so viele Menschen im Urlaub oder bei Ausflügen Kirchen und religiöse Stätten besuchen. Selbst solche die im Alltag ihre Kirchen eher meiden. Fast so wie die Kirchenmaus im gleichnamigen Gedicht von Chr. Kuhn die aus der Kirche austrat, sie fand dort nichts mehr zu essen. Dennoch, wer weiß warum, wirft sie noch einen letzten „Blick ins leere Kirchenschiff zurück“. Ich glaube es ist so: Gerade wenn wir unsere Seele baumeln lassen, regt sie sich wieder. Unsere Fragen und Sehnsüchte melden sich. Und ein Ahnen, dass wir mehr brauchen als Beruf und Wohlstand und anderes als die tägliche Sorge. Unsere Seele weiß, irgendwo wartet doch etwas Großartiges, etwas Paradiesisches auf uns. Und so besuchen wir Kirchen und Tempel, interessieren uns plötzlich für so etwas wie Religion. Mir ist das so auf einer Tagesreise mit meinen Schülern nach Straßburg gegangen. Die Kinder waren mal ausgesprochen nett und von sorgloser Freude, was sie ja nicht immer sind. Und dann fand ich mich im Münster wieder. Und ich habe für mich tatsächlich etwas Großartiges und Paradiesisches gesehen. Die Engelssäule. Sie ragt in der Kirche wohl gut 25 Meter in die Höhe. Auf ihr sind Engel zu sehen.Sie führen und reichen die Seelen der Menschen in einer schwindelerregenden Aufwärtsspirale ganz hinauf, bringen sie zu Christus. Der empfängt sie, liebevoll und zutiefst freundlich. Er segnet sie alle. Ich glaube deshalb hat mich meine Seele dorthin geführt. Gott will meine Seele nicht nur baumeln lassen, er will sie erheben, bereichern und gesund machen. Es gibt ein gutes Leben mit Gott, auch jenseits von Leistung, Wohlstand und auch mitten in großer Sorge und Verantwortung. Und Zutritt dazu hat jeder von uns. Lassen Sie ihre Seele baumeln, hören Sie auf sie und halten Sie Ausschau nach Gott, der ihre Seele so hoch schätzt. Mitten im Alltag,in der Arbeitspause, beim Warten auf den Bus, vor dem Arztbesuch, nach dem Einkauf, vor einem wichtigen Treffen, nach einer glücklichen Begegnung - viele Kirchen in Koblenz haben offene Türen, laden zum Ausruhen, Verweilen und Entdecken ein. Einfach mal rein setzen, mit Gott reden, wie mit einem guten Freund. Ob sie dann die Engel sehen oder das Paradies entdecken? Wer weiß? Und die Kirchenmaus? Sie „entdeckte unter einer Bank zwei alte Kekse. Gott sei Dank! So dachte sie, der Schmaus sei mein! Dann trat sie schleunigst wieder ein.“ Herzlichst, ihr A. Hopfgartner,
P.S Das Gedicht finden Sie im Buch „Großer Ozean. Gedichte für alle".