Zur Stille verdonnert

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski, Ökumenische Telefonseelsorge Mittelrhein

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski,
Ökumenische Telefonseelsorge Mittelrhein

Mir hat es seit ein paar Tagen die Sprache verschlagen. Da, wo sonst meine Stimme wohnt, ist bloß Halsschmerz und Gekrächze. Da Sprechen wichtig für meine Arbeit ist, ist die gerade Tabu. Viel zu schnell könnte die Stimme nachhaltig Schaden nehmen. Zuhause sitzen, möglichst wenig sprechen. Abwarten und Tee trinken. Und draußen ist Sommer. Wie doof. Ich hadere damit, dass es ist wie es ist. Gleichzeitig weiß ich, wie wenig das weiterhilft. Eine echte Zwickmühle.

Mir kommt  immer wieder ein Bibelvers in den Sinn, den der Prophet Jesaja aufgezeichnet hat: „Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe werdet ihr gerettet. In Stillsein und in Vertrauen ist eure Stärke. Aber ihr habt nicht gewollt.“ (Jesaja 30,15).

Still sein, Ruhe halten und Vertrauen haben… Ich spüre, wie schwer das ist. Wenn ich das tue, wird es in mir laut. Ich muss hinschauen und hinhören, was bei mir los ist. Und das ist manchmal viel schwieriger, als sich „da draußen“ zu bewegen. Wo ich schnell bin mit meinen Einschätzungen, Meinungen und (Vor)Urteilen. „Drinnen“ begegnen mir stattdessen meine Befürchtungen, meine Bedürfnisse und Glaubenssätze. Meine Licht- und meine Schattenseiten. Stille sein und Vertrauen. Aushalten, dass es ist, wie es ist. Und  hoffen, dass nicht alles sinnlos ist. Manchmal denke ich, das täte uns auch als Gesellschaft besser. Da werden nach einem Ereignis wie dem unverständlichen Mord am Frankfurter Hauptbahnhof diese Woche 1000 Stimmen laut, die alle etwas darüber zu sagen haben. Hektisch werden Urteile gefällt, Dinge verallgemeinert und ganze Gruppen verteufelt. Vielleicht ist das ja auch einfacher, als das Entsetzen und die Angst auszuhalten, die eine so sinnlose Tat in uns auslöst. Aber ob das wirklich hilft?

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