Zum Volkstrauertag

Von Schulpfarrerin Ruth Stein

„Geschichte ist kein Schicksal. Aus Erzfeinden können beste Freunde werden.“

Ist das nicht ein unpassendes und wirklichkeitsfremdes Zitat angesichts des anhaltenden Kriegs in der Ukraine und der Gewalt im Nahen Osten? Drücken diese Aussagen die politische Naivität aus, die Kirchenvertreter/innen häufig angelastet wird?

Nun ist das kein Zitat aus einer Predigt, sondern steht in den Handreichungen zum Volkstrauertag am 19.11., gestaltet vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Eine der Reden, die die Verfasser für Sonntag vorschlagen, behandelt die deutsch- französische Freundschaft. Darin betonen die Generalsekretäre des gleichnamigen Jugendwerks 60 Jahre nach dem Élysée- Vertrag: ´Aus Erzfeinden können beste Freunde werden`.

Gespräche oder Kommentare über die Kriege in der Ukraine und in Israel klingen häufig ganz anders. Da heißt es, dass der Bruch zwischen den einstigen Brudervölkern wohl kaum je zu heilen sei. Oder dass die Nahostproblematik eine so lange und schwierige Geschichte habe, dass die Aussicht auf wirklichen Frieden unrealistisch sei.

Für Christen ist Geschichte aber nicht nur kein Schicksal, sondern hier ereignet sich die Begegnung mit Gott. Deshalb können und dürfen selbst die Eskalation von Gewalt, die tiefe Trauer über immer mehr Kriegstote und die Sorge über die Ausweitung der Konflikte bis auf unsere Straßen nicht zu Resignation führen, sondern mehr noch als bisher dazu, sich sorgfältig zu informieren, Hass- und Hetzreden Argumente entgegenzuhalten, Solidarität mit den Opfern auch öffentlich zu zeigen, Initiativen zu unterstützen, die nach Möglichkeiten eines gerechten Friedens suchen.

Es ist ermutigend, wenn wir am Volkstrauertag und gerade jetzt daran erinnert werden, dass sich solch ein Wunder in der Geschichte schon einmal ereignet hat, dass ´aus Feinden Freunde werden`.

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