Zum Totensonntag

von Reinhard Behnke,  Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Reinhard Behnke
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Manchmal geschieht es, dass Menschen sich in ihrer Trauer auf eine bestimmte Art gefangen fühlen, ein Jahr lang, zwei Jahre oder auch viele Jahre lang. Man dreht sich immer wieder um dieselben Gedanken und Gefühle, und es nimmt kein Ende. Einmal im Jahr treffe ich mich mit Polizistinnen und Polizisten, die trauern, für mehrere Tage in einem Kloster. Dort stellen wir uns das Trauern als einen Weg vor, den man gehen muss, ob man will oder nicht. Manchmal verliert man dabei die Orientierung. Dann kann man stehen bleiben und sich umschauen. Manche Wegstrecken kann man gemeinsam gehen, zum Beispiel mit Menschen, die auch in Trauer sind. In Hospizinitiativen oder Kirchengemeinden gibt es oft Trauercafes, in denen Gleichgesinnte sich treffen und miteinander ins Gespräch kommen. Da ist so ein Grundwissen umeinander. Man muss nichts erklären. Manchmal ist geteiltes Leid halbes Leid. Andere Wegstrecken muss man allein bewältigen. Der Weg der Trauer führt durch unbekanntes Gebiet. Es gibt weder Landkarten noch Wegweiser. Das macht es manchmal schwer. Da hilft es, die Perspektive zu reduzieren auf das, was der nächste Schritt sein könnte. Was ist als nächstes zu tun - in den nächsten fünf Minuten? In der nächsten Stunde? An diesem Tag? In der Trauer können wir immer nur den nächsten Schritt gehen. Wer sagt, er kenne den übernächsten, dem ist mit Vorsicht zu begegnen. Der nächste Schritt aber ist immer fällig. Man weiß ihn genau. Und während man ihn tut, bricht man nicht zusammen. Nein, wenn du erlebst, dass du ihn dir zugetraut hast, gewinnst du Mut und fühlst dich gestärkt. Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.

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