Zukunfts- statt Schuldfragen

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski
Ökumenische Telefonseelsorge Mittelrhein

Die Bilder aus dem Ahrtal haben mich in den letzten Wochen erschüttert. So viel Zerstörung, so viel Leid. All das plötzlich ganz nah, bei Menschen, die ganz ähnlich leben wie ich. Das löst große Unsicherheiten aus. Es zeigt mir, dass Sicherheit im Leben nicht das Normale ist, sondern dass sich alles jederzeit verändern kann. Das verdränge ich im Alltag oft.

Doch wenn die Natur so aus den gewohnten Bahnen bricht, ist das eine Kränkung, die kaum auszuhalten ist.

Mir scheint daher kommt diese Diskussion, die gerade durch die Medien tobt, wer daran schuld ist. Die irritiert mich und ich frage mich, wozu sie gut ist.

Vielleicht hilft es dabei, auszuhalten, wie unkontrollierbar und bedroht Leben ist, wenn ich wenigstens jemanden dafür zur Rechenschaft ziehen kann? Oder es lenkt ab von der bedrängenden Frage, ob unser Lebensstil in irgendeiner Form einen Anteil daran hat, was geschehen ist? Wenn einer Schuld ist, habe ich ein Ziel für meine Wut, meinen Schmerz und meine Ratlosigkeit. Vielleicht ist das ja leichter annehmbar als die Hilflosigkeit, weil ich dieses Unglück nicht verhindern konnte.

Ich verstehe das Bedürfnis, finde aber die Schuldfrage wenig hilfreich.

Und bin froh, dass es auch andere Bilder gibt: von vielen Menschen, die nach Kräften dabei helfen, die Folgen in den betroffenen Gebieten zu lindern. Es tut gut, dass wir einander beistehen, dass Menschen spenden, oder mit Schaufel oder Bagger beim Räumen helfen. Ich bin dankbar, dass Menschen für einander beten und Trost und Begleitung anbieten und dass so viele in den vielen Hilfsdiensten ehrenamtlich über Tage unermüdlich präsent sind.

Und jetzt würde ich lieber schauen, wie wir jetzt handeln können, um die Risiken zu verringern. Wie wir die Natur besser im Blick behalten. Wie wir Lösungen finden, die zukunftsfähig sind. Wie wir Menschen wieder Hoffnung schenken, die anders ist als „weiter so“. Diese Diskussion steht an. In unserem verwundbaren Leben und mit Respekt für die mächtige Natur. Denn nur miteinander und mit ihr können wir Leben gestalten.

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