Das ziehe ich mir an

Von Pfarrerin Vera Rudolph, Evangelische Kirchgemeinde Lützel-Neuendorf/ Rheindörfer

Von Pfarrerin Vera Rudolph
Evangelische Kirchgemeinde Lützel-Neuendorf/ Rheindörfer

Ich liebe es, mich zu verkleiden. Als Kinder hatten wir einen großen Fundus an Verkleidungssachen für unzählige Rollenspiele. Jedes Jahr zu Karneval überlege ich mir ein neues Kostüm. Pirat, Zebra, Meerjungfrau oder Fliegenpilz. Das Schöne beim Verkleiden ist, immer eine andere Rolle anzuziehen. Die jeweilige Kleidung weckt bestimmte Gefühle, man denkt und bewegt sich anders als sonst. Gleichzeitig ist die Verkleidung eine Art Schutz: ich kann spielerisch austesten, was ich sonst vielleicht nicht wage. Dieses Jahr findet keine Karnevalsfeier statt. Dennoch möchte ich unbedingt ein Kostüm haben.

Da sowieso alles anders ist als sonst, könnte es einmal etwas ganz Ungewöhnliches sein: Wie wäre es mit „Kind Gottes“? - Wie macht man das denn? Eine Bauanleitung für dieses Kostüm findet sich im Kolosser-Brief: Zieht nun an herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld. Ertragt einander und verzeiht einander. Über dies alles aber zieht die Liebe an. Schnell gemacht: Alltagskleidung an, dann schlüpfe ich in herzliches Erbarmen, streife mir Güte und Demut über, setze Geduld auf den Kopf und schminke Freundlichkeit. Damit nichts verrutscht: ein Band aus Liebe um die Taille. - Das kann man doch gar nicht sehen? Ausprobieren!

Wenn es stimmt, dass die Kleidung Stimmung und Auftreten beeinflusst, dann wird ganz sicher etwas wahrnehmbar sein. Ich kann spielerisch ausprobieren, wie es sich anfühlt, den anderen geduldig und freundlich zu begegnen; sich selbst mal nicht so wichtig zu nehmen, gelassen zu bleiben und großzügig zu sein. Wir alle sind dünnhäutig geworden und haben in diesen Tagen Geduld und Nachsicht nötig. Das ziehe ich mir an. Und nach Karneval kann dieses Gewand ruhig zur zweiten Haut werden. Einen Versuch ist es wert. Ich gehe als Gotteskind. Kowelenz Olau!

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