Wie geht es Tante Milla?

Superintendent Rolf Stahl

Von Superintendent Rolf Stahl

Tante Milla lebt in einer Erzählung von Heinrich Böll aus dem Jahr 1951. „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ ist sie überschrieben. Die alte Dame feiert gerne Heiligabend. Sie will gar nicht damit aufhören. Jeder Versuch ihrer Familie, das Fest zu beenden oder auch nur Kleinigkeiten am gewohnten Ablauf zu verändern, bringt sie zum Nervenzusammenbruch. Sie lässt sich nur beruhigen, wenn Weihnachten so wie immer weiter gefeiert wird, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Anfangs machen noch alle mit. Schon bald wird es für die ersten unerträglich. Einige lassen sich vertreten. Andere werden durch Puppen ersetzt. Tante Milla feiert weiter Weihnachten ohne Ende. Die Satire hielt der deutschen Nachkriegsgesellschaft einen Spiegel vor. Viele verhielten sich wie Tante Milla. Sie taten so, als wäre in den Jahren vorher nichts Besonderes gewesen. Alles sollte so weitergehen wie bisher. Erinnerungen an die schlimme Vergangenheit oder Gedanken an eine besondere politische Verantwortung für Gegenwart und Zukunft hatten unterm Christbaum nichts zu suchen. Für seine kritische Weihnachtserzählung wurde Heinrich Böll sogar die „Verunglimpfung des deutschen Gemüts“ vorgeworfen. Für mich gehört „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ zu meinen Lieblingsweihnachtserzählungen. In ihrer Mischung von Spott und Ernst macht sie immer noch und immer wieder neu nachdenklich. Worauf kommt es an Weihnachten wirklich an? In die Wirklichkeit der Welt hinein ist Gott Mensch geworden. Er bringt sein Licht in unsere Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, ganz egal wann wir wo wie Weihnachten feiern oder auch nicht.

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