When too perfect, lieber Gott böse

19. Sonntag nach Trinitatis

Von Pfarrerin Vera Rudolph
Ev. Kirchengemeinde Koblenz-Lützel

Ich sitze am Schreibtisch und plage mich mit diesem Artikel ab. Stundenlang feile ich an Formulierungen, Satzbau, passenden Ausdrücken - dennoch ich bin nicht zufrieden. Schließlich soll der Beitrag perfekt sein! Perfektionismus ist gerade sehr modern. Die Zeitschrift empfiehlt das perfekte Outfit fürs Büro, ein Kochbuch das perfekte Menu für Gäste, die Tankstelle das perfekte Motoröl – Sie wissen schon. Im Vorstellungsgespräch sagen wir, Perfektionismus sei unsere Schwäche und zeigen uns damit als fleißig, strukturiert, verantwortungsvoll und zugleich selbstkritisch. Der Wunsch nach Perfektion steckt in jedem von uns. Er motiviert uns zu hohem Einsatz und besonderen Leistungen. Doch das Streben nach Perfektion hat mitunter etwas Ermüdendes. Wenn dahinter die Angst steckt, abgelehnt und ungeliebt zu sein, sobald wir einem bestimmten Anspruch nicht genügen. Der US-amerikanische Komponist und Künstler Nam June Paik (1932-2006) kritisierte an der modernen Technik, dass sie stets auf Perfektion setzt. So erfand er den Spruch „When too perfect, lieber Gott böse“. Dieser – absichtlich fehlerhafte - Satz ist eine gute Zusammenfassung der Rechtfertigungslehre: Gott nimmt dich so an, wie du bist. Unvollkommen. Nur Gott ist makellos. Wenn wir perfekt sein wollen, wie es nur Gott sein kann: „Lieber Gott böse“. Die Bibel erzählt viele Geschichten von Menschen, die alles andere als perfekt waren. Wir lesen von einem Propheten, der vor seinem Auftrag davonläuft; von Priestern, die den Nächsten nicht beachten; von einer Gastgeberin, die lieber spült als Jesus zuzuhören; von Jüngern, die Jesus verraten und verleugnen. Doch genauso wie menschliche Unvollkommenheit zieht sich Gottes Liebe durch diese Geschichten. Gott weiß, dass wir nicht alles richtig machen können. Deshalb hat er Jesus in die Welt geschickt. Er hat gezeigt, dass Gottes Liebe unabhängig ist von unserer Leistung. Gott erwartet keine Vollkommenheit von uns. Steh zu deinen Fehlern, zu deinem Menschsein. „When not perfect, lieber Gott lacht.“

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