´Wem Gott will rechte Gunst erweisen…`

Pfarrerin Ruth Stein, Koblenz

Von Pfarrerin Ruth Stein, Koblenz

In Griechenland haben wir ihn fast jeden Abend getrunken, hier schmeckt uns der mitgebrachte Wein längst nicht mehr so gut. Und zurück aus dem Urlaub finden wir den heißgeliebten Pudding aus Holland doch etwas zu süß. Das ist uns mit Lakritz aus Finnland ähnlich gegangen und mit französischem Käse: im Urlaub schmeckte das alles anders, intensiver, einfach besser! Vielleicht liegt es an der Umgebung, an der Luft, am Wetter, irgendwie passt das in den Ferien alles zusammen und zu Hause schmeckt es eben anders – und oft nicht mehr so gut.

Ich habe einen Kollegen kennengelernt, der neben seinem Alltag als Gemeindepfarrer schon öfters für ein paar Wochen eine Urlaubsseelsorge übernommen hat, fröhlich zitierte er Eichendorff: ´Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt`. Der Kollege hat erzählt, dass spirituelle und kirchliche Angebote an Urlaubsorten angenommen wurden, die in seiner Gemeinde zu Hause überhaupt nicht liefen. Dass Menschen sich woanders auf Dinge einlassen, die im Alltag eben nicht ihren Geschmack treffen. Sicher liege das an der anderen Umgebung, vor allem aber auch daran, dass die Menschen anders drauf sind: im Urlaub sind wir selbst anders, ein bisschen aufgeschlossener, neugieriger, offen für Erfahrungen, die wir sonst so nicht finden. Das betrifft auch unsere Beziehung zu Gott. Hier liegt sicher auch eine Ursache dafür, dass das Pilgern seit etlichen Jahren wieder so populär ist. Raus aus dem Alltag sich auf den Weg zu machen, ist für viele Menschen eine Chance, sich selbst und Gott neu zu begegnen. Im Urlaub gewinnen wir Geschmack an Dingen, die wir im Alltag verschmähen, das gilt auch für geistliche Nahrung.  

Ob ihn diese Erkenntnis nicht frustriert hat, habe ich den Kollegen gefragt, da hat er gemeint: ´Nein, denn wen Gott in die weite Welt schickt, den begleitet er ja auch im Alltag. Und außerdem: wer einmal daran Geschmack gefunden hat, der macht sich wieder auf den Weg.

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