Vor und hinter der Maske

Von Militärdekan Dr. Roger Mielke,  Evangelisches Militärpfarramt Koblenz III (Zentrum Innere Führung)

Von Militärdekan Dr. Roger Mielke,
Evangelisches Militärpfarramt Koblenz III (Zentrum Innere Führung)

„Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.“ 4. Mose 6,24

„Weißt Du, wen wir heute wieder nicht gesehen haben?“ fragte mein Vater manchmal augenzwinkernd, wenn die Eltern in meiner Kinderzeit am Samstagmorgen vom Einkauf auf dem Wochenmarkt zurückkamen. Der Vater wusste so manche unangenehme Begegnung und manches lästige Gespräch zu vermeiden. Ja, manchmal ist die Kunst des „Wegsehens“ wichtig.

Das ist in Zeiten der Maskenpflicht im öffentlichen Raum einfacher als sonst. Ich bin immer wieder verblüfft, in welchem Ausmaß das Stück Papier oder Stoff den Menschen unkenntlich macht. Die wichtigen Signale, die von der Mundpartie des Gesichts ausgehen, bleiben ungesehen und unverstanden. Ist mein Gegenüber fröhlich, traurig oder zornig? Zugewandt oder abweisend? Um das einzuschätzen, ist man ganz auf die Botschaft der Augen angewiesen – und dazu muss man sehr genau hinschauen, so genau, wie man es normalerweise nicht machen würde. Und wie man es auch nicht müsste, weil man einen Gesichtsausdruck in Sekundenbruchteilen entschlüsseln kann.

Als Maskenträger kann ich inzwischen allerdings auch die andere Seite etwas besser verstehen: Wie entlastend es sein kann, nicht sofort erkannt und bewertet zu werden. Ich habe so etwas schon von muslimischen Frauen gehört, die von diesem Aspekt einer Verschleierung mit dem Niquab erzählt haben. Die Distanzgebote der Coronazeit ermöglichen vielleicht auch eine Entdeckung: Mir ist jetzt klarer, wie zudringlich und distanzlos es im Alltag oft zugeht, oft gepaart mit Lautstärke, Rücksichtslosigkeit, Drängeln und Hektik. Menschen aber brauchen Distanz und Takt ebenso wie Nähe. Ein gutes Gefühl für Distanz hängt wohl auch damit zusammen, dass es die eine Schlüsselbeziehung zu DEM gibt, der uns durch und durch kennt, weil ER uns geschaffen hat. Einer ist da, der mich sieht, kennt und liebt. Er schaut hinter die Masken – und: Er segnet Menschen, lässt sein Angesicht leuchten, auch in Coronazeiten, ohne Maske.

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