Träumen mit der Verheißung Gottes im Ohr

Von Reinhard Behnke Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Von Reinhard Behnke
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Die EU ist ohne Wenn und Aber eine der besten Erfindungen der Nachkriegszeit. Sie bringt Menschen unterschiedlicher Nationen näher zusammen und sorgt für Völkerverständigung. Die Präsidentin der EU hat jüngst aber ein wenig überzogen, als sie vom europäischen Traum sprach, an dem die Ukraine teilhaben könne, wenn sie ihre Hausaufgaben mache. Zwei Begriffe fallen mir dabei ins Auge. Zunächst die Hausaufgaben: Schüler und Schülerinnen machen Hausaufgaben, die von Lehrerinnen und Lehrern bewertet werden. „Hausaufgaben“ beschreiben also ein erhebliches Machtgefälle. Es wird also ein Land, die Ukraine, zum Schüler herabgestuft, und die EU erhebt sich zur Lehrmeisterin. Es fehlt an Augenhöhe. Und dann der sogenannte europäische Traum: Er ist für einige Beitrittskandidaten auf dem Balkan inzwischen eher ein Alptraum, der schon fast 20 Jahre andauert, weil nichts geschieht. Ein Traum ist Europa also eher für die Mächtigen. --- Auch kleine Leute mit wenig Macht haben Träume. In ihnen sehnen sie sich nach Gleichwertigkeit ohne Machtgefälle. Den Träumen der Mächtigen misstrauen sie. Die Träume derer von unten, ohne Macht, sind zu beflügeln, denn sie haben Gerechtigkeitspotential. Sie sind reale Utopien, Entwürfe des Zusammenlebens, die bereits denkbar sind, jedoch noch keinen Ort haben in dieser Welt: U-topie bedeutet ohne-Ort. Das christliche Bild der Utopie ist die Vision, die „Sicht“ auf eine Wirklichkeit, in der Menschen mit Gott in ihrer Mitte leben und die Würde jedes Menschen – endlich – das Maß aller Dinge ist. Lassen Sie uns träumen, von unten her mit der Verheißung Gottes im Ohr: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

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