Später Sommer

Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel

Von Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel
Schulreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Auch wenn es am heutigen Freitag vielleicht schon wieder regnet, so blicken wir doch auf eine Reihe von sonnigen und warmen Tagen zurück. Wir hatten den Sommer schon abgeschrieben. Wir hatten uns an kälteres und regnerisches Wetter zu gewöhnen versucht. Die Erkältungskrankheiten haben schon viele schachmatt gesetzt. Und dann das: Wenn der morgendliche Nebel sich verzogen hatte: wohlige Wärme, ein unglaublich blauer Himmel, strahlende Herbstfarben, klare, ungetrübte Ausblicke, ein besonderes Licht und zarte Spinnweben, am Morgen dicht mit Tauperlen besetzt! Geschenkte, wohltuende Tage. Wie ein Versöhnungsangebot des Herbstes. Gut, wenn wir das wahrnehmen, aufnehmen und genießen konnten. Solche absichtslosen und unerwarteten Geschenke sind etwas Besonderes. Umsonst, einfach so erreichen sie uns. Keiner fragt, ob ich mir in den Tagen und Wochen zuvor diese Streicheleinheiten der Sonne verdient habe oder nicht. Wenn wir von Gott oder zu Gott sprechen, dann gebrauchen wir Bilder. Wir nutzen Bilder von dem, was wir in der Welt erfahren, von dem, was uns vertraut ist, um von oder zu Gott zu sprechen. In der Bibel sind Sonne und Licht Bilder, die mit Gott in Verbindung gebracht werden. In einem Lied, das oft am Ende eines Gottesdienstes gesungen wird, wird Gott gebeten, uns zu bewahren und zu behüten. In einer Strophe wird diese Bitte so formuliert „voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Tagen“. Wenn ich das Lied singe, fühle ich an dieser Stelle die wohlige Wärme der gerade erlebten Herbsttage. Die Wärme ist nicht die aggressive Hitze des Sommers, das Licht nicht das grelle Licht der Mittagssonne im Hochsommer, es ist das gedämpfte Sonnenlicht der vergangenen Tage. Dass Gott uns so begegnen will „voll Wärme und Licht im Angesicht“, ist ein gutes Bild, finde ich. Und wie uns diese späten Sommertage begegnen, unerwartet, ohne nach unserem Verdienst zu fragen, so, sagt die Bibel, wendet auch Gott sich uns zu. Er bietet uns Beziehung an ohne Vorbedingung. An uns ist es, unser Gesicht der Sonne entgegenzustrecken und die Wärme an uns heranzulassen.

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