Schmetterlingsflügel anziehen

3. Sonntag nach Epiphanias

Von Pfarrerin Marina Brilmayer,
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

 

„Schon der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann in Texas einen Orkan auslösen!“ Das hat Anfang der 70er Jahre der Meteorologe Edward Lorenz gesagt. Mit dem sogenannten Schmetterlingseffekt wollte er zeigen, dass nicht alles berechenbar ist. Überall gibt es das Unvorhersehbare und schon kleine Dinge können Großes bewirken, denn alles hängt zusammen. Auch wenn der Schmetterlingseffekt heute nur noch eine originelle Metapher ist – der Gedanke dahinter gefällt mir.  Er könnte sogar ein Gedanke Gottes sein.

Beim Propheten Jesaja ist von einem die Rede, der nicht schreit oder ruft, der nicht verlöschen oder zerbrechen wird. Später wurde das auf Jesus bezogen, der Hoffnung gab, die Menschen ernst nahm. Er kehrte bei Verachteten ein, sprach mit Ausgestoßenen. Manchmal genügte ein Wort und jemand wurde gesund. Jesus tat das alles auf seine eigene behutsame Weise – heute könnte man sich vorstellen, er wäre wie mit Schmetterlingsflügeln unterwegs gewesen. Ein Schmetterlingsflügelschlag Gottes. So ein leiser Hauch war das.

Wenn ich den Fernseher in dieser Woche anmache, höre ich nur laute Stimmen. Viele schnelle Entscheidungen, vieles zerbrechend, einiges verlischt. Und ich wünsche mir jemanden Leises. Menschen mit Schmetterlingsflügeln – die das machen, was niemand erwartet, die ein Wort  sprechen und nicht schreien, und schon fühlt sich jemand gesund. Menschen mit Worten, Blicken, Zeit.

Als Jesaja vor tausenden Jahren von einem Leisen schrieb, hatte er ja vielleicht im Sinn, dass schon das Kleinste einen Unterschied macht. Ich glaube, dass das nicht aufhört. Ziehen wir unsere glitzernden Schmetterlingsflügel an und verändern die Welt – leise, behutsam. Wer weiß, was wir auslösen? Lassen wir uns überraschen!

Zurück