Quälende Wahlen

Von Superintendent Rolf Stahl
Evangelischer Kirchenkreis Koblenz

Wahlbeteiligungen sinken in unserem Land und weltweit. Ausführliche Statistiken belegen das. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche. Über mögliche Folgen wird besorgt diskutiert. In jedem Fall ist es ein bedenklicher Trend. Sozialwissenschaftler deuten ihn als Hinweis auf eine Gesellschaft, die immer weniger Verantwortung übernehmen will. Das wiederum muss nicht unbedingt nur mit Unwillen oder Bequemlichkeit zu tun haben. Psychologen sehen auch in wachsender Unsicherheit einen Grund dafür. Die wird auf eine unausgereifte Fehlerkultur zurückgeführt. Fehler gelten nicht als besonders schick. Alles soll möglichst perfekt sein. Wer perfekt sein will, tut sich mit Entscheidungen schwer. Sie könnten ja fehlerhaft sein und entsprechende Folgen haben. So werden viele nicht getroffen oder anderen überlassen zusammen mit der Verantwortung dafür. Neu ist diese Erscheinung nicht. Schon in der Antike haben sich Philosophen den Kopf darüber zerbrochen, warum uns Menschen Entscheidungen schwer fallen. Der christliche Philosoph Johannes Buridan griff diese Gedanken im Mittelalter auf und brachte sie in die Form einer Fabel. „Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.“ Entscheidungsfreude ist überlebensnotwendig. Das gilt nicht nur für hungrige Esel. Dazu gehört die Bereitschaft, Fehler zu machen und die Verantwortung dafür nicht auf andere abzuschieben. Der Apostel Paulus ermutigte seine Gemeinden zu solch verantwortungsvoller Fehlerbereitschaft. „Prüfet aber alles, und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt.“ Wir haben die Wahl und sollten sie nutzen.

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