Proteste und Protestanten

3. Sonntag nach Ephiphanias

von Ruth Stein
evangelische Schulpfarrerin am Eichendorff-Gymnasium, Koblenz

´Mein Teekesselchen geht auf Demos`, den Hinweis bekam ich von der einen Nichte und ihre kleine Schwester wollte es mir leichtmachen: ´Und mein Teekesselchen ist evangelisch.` Vor vielen Jahren, als sie noch klein waren, habe ich mit meinen Nichten viel Spaß mit diesem Spiel gehabt, bei dem es darum geht, ein Wort mit zwei Bedeutungen zu erraten. Als ich ihnen aber dieses Mal versuchte vorsichtig beizubringen, dass ´Protestanten` als Teekesselchen eher ungeeignet sei, weil die Bezeichnung für evangelische Christen/innen sich auch von ´Protest` herleitet, da waren sie weniger enttäuscht als sehr erstaunt: ´Aber wann gehen denn Evangelische protestieren?`

An diese Begebenheit musste ich denken, als letzte Woche die Bauernproteste mit ganzer Wucht durchs Land rollten. Denn in einem entscheidenden Punkt haben ihre Proteste und die Aktion, der die Evangelischen ihren ´Zweitnamen` verdanken, viel gemeinsam. Als Luther 1521 in Worms nicht bereit war, von seinen Positionen abzurücken, verhängte der Kaiser Karl V. die Reichsacht über ihn und alle seine Anhänger. Dieses Wormser Edikt hätte leicht das Ende der Reformation und Luthers bedeuten können, wenn sich nicht so viele evangelische Fürsten einfach darüber hinweggesetzt hätten, und v.a., wenn der Kaiser nicht durch außenpolitische Krisen viel zu beschäftigt war, um das Wormser Edikt durchzusetzen und für ein Verbot der Reformation zu sorgen.

Stattdessen kam es auf dem Reichstag zu Speyer 1526 sogar dazu, dass den evangelischen Fürsten und Städten von höchster Autorität zugesichert wurde, sie könnten in ihren Territorien selbst über die Belange der Religion entscheiden.

Diese religiöse Toleranz mutet für die damalige Zeit sehr fortschrittlich an, war aber leider nur der Tatsache geschuldet, dass der Kaiser an anderer Stelle so gefordert war, dass er innenpolitisch auf Beruhigung setzte, - um knapp drei Jahre später zu denken, er könne die Beschlüsse von 1526 kurzerhand aufheben und die Reformation nun doch und durch einen Mehrheitsbeschluss verbieten.

Dagegen haben 6 Fürsten und 14 Reichsstädte Protest eingelegt. Sie protestierten dagegen, in ihren Gewissensentscheidungen nicht ernstgenommen zu werden, und sie protestierten gegen die politische Willkür des kaiserlichen Handelns.

In den Kommentaren zu den Bauernprotesten war immer wieder zu lesen, dass sich hier eine Menge aufgestaut hat: der Ärger über ständig neue gesetzliche Auflagen, die Planungssicherheit zunichte machen, über einen Mangel an Wertschätzung und stattdessen Kritik von allen Seiten. Das überproportionale Sparziel, das den Bauern jetzt aufgebürdet wird, diese Willkür ´von oben´, von Seiten der Regierung, ist da wohl nur der berühmte letzte Tropfen.

Nach wie vor verpachten beide großen Kirchen viel Ackerland an die deutschen Bauern. Wenn jetzt die Grüne Woche in Berlin stattfindet, ist es sicher Aufgabe der Kirchen, das Gespräch mit den Bauern intensiv zu suchen, aber auch von der Politik ein anderes Umgehen mit ihnen zu fordern, - das sind wir uns als Kirchen schon wegen unserer eigenen Geschichte schuldig.

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