November

Von Reinhard Behnke
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Die Tage sind kürzer jetzt, die Sonne steht tiefer. Die Farben des bunten Oktobers sind verblasst. Am Abend zünden wir Kerzen an und ihr Licht hat etwas Versöhnliches gegen die Trübheit so mancher Tage. Im November liegen auch zwei Feiertage, ein offizieller und ein sogenannter stiller, am 1. November Allerheiligen, am 22. November der Totensonntag, der auch Ewigkeitssonntag genannt wird. Diese Tage haben symbolischen Wert, und ich verstehe sie als Einladung, uns an die Menschen zu erinnern, die wir im Verlauf unseres Lebens verloren haben. Warum eigentlich? Auf Kommando nachdenklich sein? Nein. Aber einen Anstoß bekommen, um eine Pause einzulegen, die wir sonst vielleicht vergessen. Sich an die Toten erinnern heißt auch: Das eigene Lebenstempo überdenken und ein wenig drosseln. Von den Toten können wir lernen, dass wir endlich sind, gewiss, eine manchmal unangenehme Lektion und dennoch wahr. Und noch eins: Wir können uns eingestehen, dass es Menschen in unserem Leben gegeben hat, die wir bis heute vermissen. Ein Gang ans Grab an Allerheiligen, am Totensonntag heißt, den Toten einen Platz im Leben einräumen. Das eigene Vermissen wahrnehmen. Schauen, wie viel Trauer noch in mir ist. Trauen Sie sich in ihren Gedanken und Gefühlen zu den Menschen hin, die Ihnen fehlen, liebe Leserinnen und Leser. Suchen Sie die Gräber auf. Zünden Sie Kerzen an - nicht nur im November. Ihr Licht tut gut. Christinnen und Christen verbinden es mit einem Glauben, der Verstand und Logik völlig übersteigt: den Glauben, das Vertrauen auf eine Ewigkeit, in der die Tränen getrocknet werden und die Freude nicht mehr versiegt.

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