Neu werden

Pfarrerin Margit Büttner

Von Pfarrerin Margit Büttner
Evangelische Erwachsenenbildung

In 2 Stunden ein neuer Mensch.“ Dieser Werbeslogan sprang mir im vergangenen Herbst täglich auf meinem Weg zur Arbeit in die Augen. Dem Plakat war gelungen, meine Aufmerksamkeit zu wecken und die Gedanken in eine Richtung zu lenken:  Du könntest mal wieder in die Therme gehen.

Niemand wird nach 2 Stunden ein neuer Mensch. Wer würde das ernsthaft erwarten? Werbung verspricht immer mehr als sie halten kann. Sie spielt bewusst und gezielt mit den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen. Nicht selten bedient sie sich dabei religiöser Sprache und Symbolik.

Der neue Mensch ist dabei eine zentrale Vorstellung, die auch in unserer christlichen Tradition vorkommt. Dass der Mensch als ganzer der Erneuerung bedarf, ja „wiedergeboren“ werden muss, kann man zum Beispiel im Johannesevangelium lesen. Wiedergeburt stellen sich manche Religionen als Wiedereintritt in dieses Leben in anderer Gestalt nach dem Tod, z.B. als Tier, vor. Christlich verstanden ist Wiedergeburt jedoch eine Veränderung mitten im Leben.

Man könnte sie mit einem musikalischen Bild beschreiben: die Tonart ändert sich. In trauriges Moll und schmerzhafte Dissonanzen mischen sich hoffnungsfrohe Durklänge, die sich immer mehr ausbreiten, und so erklingt die Grundmelodie des Lebens zuversichtlich und dankbar. Wiedergeburt befreit von Fatalismus und Zynismus, sie räumt auf mit der Last alter Schuld. Sie richtet den Blick nach vorne und gibt dem Leben Hoffnung. In 1. Petrus 1,3 dankt der Briefschreiber Gott dafür, dass „er uns in seinem großen Erbarmen neu geboren hat, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“.

Der Sonntag nach Ostern trägt den Namen Quasimodogeniti, das bedeutet „wie die neugeborenen Kinder“. Besser bekannt ist er als Weißer Sonntag. Die frühen Christen wurden an Ostern getauft, und sie trugen ihre weißen Kleider eine Woche lang, bis zum „Weißen Sonntag“. Dann wurden sie wieder abgelegt. Aber das Leben klang von nun auf der Grundmelodie der Hoffnung.

In 2 Stunden ein neuer Mensch. Ich bin tatsächlich eines Tages hingefahren, zum Schwimmen, Saunen und Entspannen. Körper und Seele tat der kleine Ausflug gut. Um dem Leben eine Richtung zu geben, die mehr Raum für Hoffnung als für Angst hat, wird der Besuch in einer Therme niemals ausreichen.

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