Nachtgespräche

Pfarrerin Margit Büttner

Von Pfarrerin Margit Büttner
Evangelisches Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd, Außenstelle Koblenz

Kennen Sie das? Die meisten sind Selbstgespräche. Monologe in der Dunkelheit. Weil man keine Ruhe findet. Die Gedanken kreisen um immer das Gleiche.

Nachtgespräche. Es gibt sie auch in der Stadt. In Kneipen, Bars, der Bahnhofsmission. Mit mehr oder weniger klarem Kopf.

Die Bibel erzählt von einem Nachtgespräch. Ein gelehrter Jude kommt zu Jesus, in der Nacht, um zu sehen, was dran ist an dem, der so sonderbare Dinge tut und Worte sagt, die einem unter die Haut gehen.

Und so entspinnt sich ein Nachtgespräch zwischen dem sachlichen Analytiker und dem in Rätseln und Bildern sprechenden Lehrer. Dem Gespräch werden wohl erst recht schlaflose Nächte folgen. Denn der Mann, er heißt Nikodemus, bekommt drei Rätsel aufgetragen, die es zu lösen und zu durchleben gilt:

Das erste Rätsel: „Nur wer von neuem geboren wird, kann das Reich Gottes sehen.“ Logische Rückfrage: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?“ Die Antwort führt auf eine andere Spur, weg von der Logik, hin zu den Bildern. Nikodemus wird Ja sagen müssen zur Sprache der Nacht, in der Gott zu Menschen spricht. Und sich darauf einstellen, dass er selbst gemeint ist: „Nur wenn du von neuem geboren wirst, kannst du das Reich Gottes sehen.“

Das zweite Rätsel: „Nur wer aus Wasser und Geist geboren wird, kann in das Reich Gottes kommen.“ Das erinnert an die Taufe und an Pfingsten. In vielen Kirchen werden zu Pfingsten Gottesdienste als Erinnerung an die Taufe gefeiert. Damit wir nicht vergessen, dass Gottes Atem uns das Leben und der Geist Gottes uns das Verstehen schenkt. Ohne das bleibt dem Menschen der Sinn von Gottes Wort verschlossen.

Das dritte Rätsel: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, woher er kommt, und wohin er geht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Der Wind – ein schönes Bild für den Geist. Er weht, wo er will. Du kannst ihn nicht einfangen. Du kannst ihn nicht zwingen. Für jemand, dessen wichtigste Lebensstütze feste Strukturen, Logik und Gesetzmäßigkeiten sind, ist das eine Zumutung. Sie verlangt, den falschen Halt aufzugeben und zuzulassen, dass der Geist weht, wann und wo und in wem er will.

An dem Punkt angekommen, wo er die Brüchigkeit seiner Sicherheiten spürt, sucht einer das Nachtgespräch mit Jesus. Einer wie viele, die längst schon spüren, wie wenig tragfähig ihre vermeintlichen Sicherheiten sind, wie unvollkommen jedes eigene Bemühen bleibt, und die darum in der Nacht nicht zur Ruhe kommen. Doch wer schon einmal den Reiz verspürt, diesem Jesus und seiner Botschaft auf der Spur zu bleiben, bei dem hat der Geist schon zu wehen begonnen.

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