Nachrichten fasten

Von Carmen Tomaszewski Evangelische Pfarrerin in der TelefonSeelsorge Mittelrhein

Von Carmen Tomaszewski
Evangelische Pfarrerin in der TelefonSeelsorge Mittelrhein

Am liebsten würde ich mich ausschalten. Wäre ich eine Sicherung, müsste ich glatt durchbrennen, so viel ist das gerade alles. Egal ob Fernsehen, Radio oder Zeitung, überall werde ich mit Bildern und Meinungen geflutet. Es werden politische Entscheidungen getroffen, die noch vor zwei Wochen undenkbar gewesen wären. Und mittendrin ich. Und ich kann nix tun. Um Frieden beten vielleicht. Aber da steigt direkt die destruktive Frage in mir hoch, warum bete ich jetzt für Frieden, wo er in Europa zerbricht, während die Kriege, die seit Jahren woanders Menschen zu Flüchtlingen und Opfern machen, mich nicht auf die Straße bringen? Im Kongo sterben sie seit 1994. Unbemerkt. Oder in Syrien oder im Jemen, aber meist schaffen die es nicht in unsere Nachrichten. Und ich merke, wie ich wütend werde, auf die Ungerechtigkeit in der Welt, auf Menschen, die so viel Macht über andere gnadenlos ausspielen, auf mich selbst, die ich mich gerade als so machtlos erlebe.  Dabei weiß ich sogar, dass diese Wut nur ein Versuch ist, den Schmerz der Hilflosigkeit nicht zu fühlen. Sie ist wie Friedensgebete und Hilfskonvois etwas, was ein Mensch tun und fühlen kann, um der Verzweiflung und Ohnmacht etwas entgegen zu setzen. Denn die Verzweiflung alter Ohnmacht, alter Kriege sitzt tief in unserem kollektiven Gedächtnis. Das wird durch die Bilder getriggert und aktiviert. Macht zutiefst unruhig. Traurig. Fassungslos. Über das aktuelle Geschehen hinaus, bringt es mich in Unfrieden mit mir selbst. Es geht mir durch Mark und Bein, ich spüre es körperlich.

Darum schalte ich aus, wenn ich merke, es sind zu viele Nachrichten. Verordne mir ein Fasten. Suche in der Ödnis in mir nach Mitgefühl. Für das, was gerade in der Welt geschieht. Für die unterschiedlichen Stimmen in mir drin, wo es so durcheinander ist. Wenn ich Mitgefühl finde, in mir, für mich, dann wächst es auch für die anderen. Liebe Deinen Nächsten – er ist wie Du. Mensch. Bedürftig. Schrecklich. Wunderbar. Geliebtes Gotteskind.

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