Mündige Zeitgenossen
Letzter Sonntag nach Epiphanias

Von Schulpfarrerin Stefanie Martin
Manche Sätze aus der Bibel taugen fürs Poesiealbum, manche aber auch als grundlegendes ethisches Prinzip. So wie die diesjährige Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute“. Mir gefällt daran, dass nicht im Vorhinein genaue Regeln ausgegeben werden, was zu tun und was zu lassen ist, sondern man muss gründlich nachdenken vor einer Entscheidung. Die Bibel spricht uns Menschen damit als mündige Individuen an und traut uns zu, dass wir vernünftige Entscheidungen treffen.
Immer wieder bearbeite ich mit meinen Lerngruppen in der Schule die sogenannten Schritte der ethischen Urteilsbildung. Dabei geht es um Überlegungen, die für eine mündige Entscheidung bedacht werden sollten, damit man nicht nur „aus dem hohlen Bauch heraus“ Entscheidungen trifft. Ganz zentral ist dabei einerseits, die Situation in der ich mich befinde, ganz intensiv zu analysieren. Was bestimmt gerade heute unsere Wirklichkeit. Die sieht in der Regel anders aus als zu biblischen Zeiten. Aber ich lebe heute und muss Entscheidungen für meine Gegenwart treffen und nicht für die Zeit vor 2000, 1000, 100, oder 40 Jahren. Es geht also in erster Linie um wirkliche Zeitgenossenschaft.
Zum anderen geht es um eine Normenreflexion. An welchen Werten oder Normen orientiere ich mich und mein Handeln? Was sagen die Religionen oder was sagen Philosophen zu meinem Problem. Was ist hier genau das „Gute“? Ein Mehrwert allein für mich? Solidarität für die Schwächeren oder Unterstützung des Egoismus? Oder etwas, was uns als Gesellschaft wieder zusammen - voranbringt?
„Prüft alles und behaltet das Gute“. Auch ein guter Vorsatz für die Bundestagswahl in drei Wochen.