Momente der Ewigkeit mitten im Leben
Von Reinhard Behnke, Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz
Der Totensonntag ist ein kirchlicher Feiertag für Christen und auch für konfessionslose Menschen. Wir gedenken an diesem Tag unserer Verstorbenen und besuchen deren Gräber. Oft werden Trauergestecke auf die Gräber gelegt. Das bringt zum Ausdruck, dass die Toten in der Erinnerung der Lebenden in gewisser Weise „lebendig“ sind. In der Erinnerung an meine Mutter, die schon lange nicht mehr lebt, werden manchmal Momente wach, die lange zurück liegen. Im Moment des Erinnerns sind sie so klar, als seien sie gestern gewesen. Im Erinnern relativiert sich die Zeit. --- Die Bibel sagt über Gott: „1000 Jahre sind vor Gott wie ein Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.“ Auch hier ist die Zeit relativiert: Ein Tag entspricht 1000 Jahren, was soviel heißt wie: Im Kosmos Gottes liegt zwischen einem Tag und der Ewigkeit kein Unterschied. Gestern, heute und morgen fallen in eins. Alles ist Gegenwart. In einem Gedicht von Hans Sahl über das Sterben klingt das so: „Ich gehe langsam aus der Welt heraus // in eine Landschaft jenseits aller Ferne // und was ich war und bin und immer bleibe // geht mit mir ohne Ungeduld und Eile // in ein bisher noch nicht betretenes Land. // Ich gehe langsam aus der Zeit heraus // in eine Zukunft jenseits aller Sterne // und was ich war und bin und immer bleiben werde // geht mit mir ohne Ungeduld und Eile // als wär ich nie gewesen oder kaum.“ Es gibt schon zu Lebzeiten Momente, in denen wir selbstvergessen und weltvergessen vielleicht eine Blume anschauen oder in die Erinnerung tauchen. Das sind Momente der Ewigkeit mitten im Leben. Zeitlos.