Mehr für möglich halten, als die Vernunft sich vorstellen kann

Von Reinhard Behnke Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Von Reinhard Behnke
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, lautet ein häufig gehörter Kommentar. Die so reden, unterlegen das Gesagte oft mit leiser Ironie, einer kleinen Portion Überlegenheit und vielleicht mit einem Achselzucken. Hoffe du nur ... Ich stehe da drüber. Hoffnung wird heutzutage oft belächelt, schlecht geredet. Doch damit wird ungewollt auch die Hoffnung all jener entwertet, die hoffen, weil sie in Not sind: Eltern auf der Kinderintensivstation; Angestellte und Arbeiterinnen in Sorge um ihren Arbeitsplatz in diesen von Coronageauflagen gebeutelten Zeiten; Oppositionelle in den Gefängnissen von autoritär regierten Staaten, Geflüchtete auf dem Mittelmeer. Sie alle hoffen, weil die Hoffnung ihnen die Kraft gibt, weiter zu leben in schwersten Zeiten.

Die in sicheren Verhältnissen ohne unmittelbare Not – ihnen fehlt vielleicht manchmal der Draht zur Hoffnung, weil sie das Glück haben, die vermeintliche Sonnenseite des Lebens zu bewohnen. Ihre Hoffnung beschränkt sich gelegentlich darauf, dass der bestellte Neuwagen pünktlich ausgeliefert wird oder die Zinsen für den Hauskredit lange niedrig bleiben. Wo Menschen aber hoffen, weil sie in Not sind oder aber die große Not erkennen, die uns alle angeht - egal ob auf der Sonnenseite oder der Schattenseite des Lebens - dort ist Hoffnung eine Kraftquelle.

Erderwärmung, Artensterben oder die Sehnsucht nach Leben und Frieden - das sind riesige Herausforderungen, die neben dem tatkräftigen Zupacken die Hoffnung brauchen, damit wir nicht fatalistisch werden oder resignieren. Hoffen bedeutet, mehr für möglich zu halten als die Vernunft sich vorstellen kann. Deswegen schwingt im Hoffen immer auch ein Religiöses mit: Wer hofft, baut auf ein unverfügbares Gutes, Rettendes. Einer der Namen für dieses Rettende ist seit jeher der Name Gott.

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