Lieber schweigen?

von Pfarrer Alfried Hopfgartner,  Schulpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Alfried Hopfgartner

Schulpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz
am Gymnasium auf der Karthause

Am Sonntag  begeht die Bürgergemeinde den Volkstrauertag. Mitten in schwierigen Zeiten wird der Opfer von Krieg und Verfolgung gedacht. Gleichzeitig sollen Bürger und Staat sich auf ihre Pflicht, den Frieden und die Versöhnung zwischen den Völkern zu bewahren, besinnen. Ehrlicherweise kann man angesichts von Krieg und Unmenschlichkeit nur betroffen schweigen, so sagte einer meiner Schüler. Zur Ehrlichkeit gehört auch anzuerkennen, dass wir unsere Soldaten/-innen seit Jahren unter schwersten Bedingungen in „kriegsähnliche“ Konflikte schicken um Schlimmstes menschliches Leid auch mit militärischen Mitteln zu verhindern und dabei auch scheitern. 20 Jahre Dienst in Afghanistan, 59 Bundeswehrangehörige ließen dabei ihr ihr Leben, viele Hilfskräfte blieben in größter Gefahr zurück.  Es ist wahr, dass wir ihnen und ihren Familien, wenn sie an Leib und Seele verletzt zurückkehren, Anerkennung und Hilfe nur spärlich zukommen lassen. Es ist wahr, dass ein Teil unseres Wohlstandes auf der gerade jetzt wieder aufblühenden Rüstungsindustrie Deutschlands gründet. Auch  bei unseren Einsätzen sterben, trotz aller Umsicht, Zivilisten. Auch humanitäre Einsätze stehen in der Gefahr politisch und wirtschaftlich korrumpiert zu werden. Das ist die große Versuchung. Seit Februar ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Der Mensch ist halt egoistisch, Kriege und Ungerechtigkeit wird es deshalb immer geben, so denken viele meiner Schüler. Dabei ist Krieg eigentlich nichts anderes als ein gescheiterter Frieden. Frieden und Sicherheit gründen in sozialer und politischer Gerechtigkeit im eigenem Land und in der gerechten Gestaltung der Beziehungen zwischen den Völkern. Deshalb reden unsere Kirchen nicht mehr einem gerechten Krieg das Wort, sondern engagieren sich für soziale Gerechtigkeit, fairen Welthandel und für die Verständigung der Völker und Religionen. Ehrlichkeit und Schweigen bleiben uns als Bürgergemeinde. Als Cristengemeinde aber auch die Worte des Vater Unser: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. In diesen Worten liegt ein Schlüssel, trotz Krieg und Unmenschlichkeit am Frieden festzuhalten. Sie wiedersprechen meinen Schülern: Der Mensch ist eben auch zur Versöhnung und zum Guten fähig, gerade auch in Zeiten der Not. Sie sind auch ein Schlüssel, Gewalt und Ungerechtigkeit zwischen den Völkern nicht als natürlich oder schicksalshaft hinzunehmen. Deutschland hat dies nach dem Zweiten Weltkrieg und trotz der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Völkermordes erlebt. Nur der Wille zur Vergebung und zur Versöhnung der Völker Europas hat uns wieder einen Platz in der Völkerfamilie gegeben. Seit fast 80 Jahren herrscht in Westeuropa Frieden und seit fast 80 Jahren leiden seine Bewohner  weder an Krieg noch an Verfolgung. Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. So gesehen müssen wir am Volkstrauertag doch nicht nur schweigen. Ich wünsche unseren Politikern aufrichtiges Handeln in schwierigen Zeiten, unseren Soldaten und Soldatinnen Besonnenheit und immer gesunde Heimkehr und uns allen die Gewißheit, dass Kriege niemals unvermeidbar und ganz gewiss nicht gottgewollt sind.

Zurück