Lieber jubeln als grölen

Von Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel, Schulreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Von Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel,
Schulreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Laut Duden bedeutet grölen „laut und misstönend singen oder schreien“.

Am 10. Mai fanden 1933 in Berlin und anderen Städten öffentliche Bücherverbrennungen statt. Sie waren von der nationalsozialistisch gesinnten Studentenschaft organisiert und folgten einem zuvor festgelegten Ritual. Zu diesem festen Ablauf gehörten neun sogenannte Feuersprüche. Die Bücherverbrennung stand in Zusammenhang mit anderen Aktionen wider den angeblich undeutschen Geist. Jeder Feuerspruch wandte sich gegen Gedanken oder Sachverhalte, die mit diesem Geist und damit mit bestimmten Autoren in Verbindung gebracht wurden. In jedem Feuerspruch wurden Autoren namentlich genannt. Mit der Ausrufung jeden Spruches wurden deren Werke ins Feuer geworfen. Auch wenn ich kein sicheres Zeugnis davon habe, glaube ich, das Gegröle der Menge nach jedem Feuerspruch deutlich zu hören.

Jubeln lässt sich laut Duden umschreiben mit „seiner Freude über etwas laut, stürmisch Ausdruck geben“.

Der kommende Sonntag trägt den lateinischen Namen „Jubilate“ – jubelt. Ich habe bisher selten erlebt, dass wir Christen, angesichts der frohen Botschaft, die uns anvertraut ist, unserer Freude laut und stürmisch Ausdruck geben. Aber die Vorstellung gefällt mir. Das Zeugnis von der frohen Botschaft leitet an, die Welt in ihrer Vielfalt und Mehrdeutigkeit zu sehen. Es will Orientierung geben in einer bunten, vieldeutigen Welt. Ideologien und fundamentalistische Strömungen wollen Menschen hingegen eine von ihnen festgelegte Eindeutigkeit der Welt verordnen. Das führt notwendig zur Ausgrenzung von Gedanken und Menschen, die für die Vielfalt stehen, die als anders oder fremd empfunden werden.

Nicht jedes Grölen ist weltanschaulich belastet und nicht jeder Jubel kommt aus reinem Herzen. Aber der Jubel, zu dem der kommende Sonntag auffordert, versteht die Welt als Gottes Schöpfung, die in ihrer Vielfalt gewollt ist und daher auch von den Geschöpfen in ihrer Vielfalt angenommen werden kann. Solchen Jubel vorausgesetzt, meine ich: Lieber jubeln als grölen!

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