… immer versehrter und immer heiler …

Von Reinhard Behnke Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Von Reinhard Behnke
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Irgendwann fangen wir an zu erzählen. Einer erzählt von seinem verwüsteten Haus im Flutgebiet und wie er eintritt durch das Loch, in dem einmal die Haustür war. Inmitten der Verwüstung entdeckt er einen Schraubenzieher aus seinem Werkzeugkasten - und weint, weil ihn dieser vertraute Anblick inmitten des Chaos so tief bewegt. Wir erleben uns versehrt in diesen Wochen - in sehr unterschiedlicher Bedrohlichkeit und machen uns auf die Suche nach Trost. Trost, der nicht billig ist, gibt es das?

„Wir werden eingetaucht und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen, wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut“ - lese ich in einem Gedicht von Hilde Domin, als sei es für den 15. Juli geschrieben. Und weiter: „Der Wunsch nach der Landschaft diesseits der Tränengrenze taugt nicht. Der Wunsch, verschont zu bleiben, taugt nicht.“- Wie wahr! „Es taugt die Bitte, dass bei Sonnenaufgang die Taube den Zweig vom Ölbaum bringe“- In der biblischen Geschichte von der Sintflut fliegt nach langer Not eine Taube übers Wasser, im Schnabel den Zweig eines Olivenbaums. Da erkennt Noah, dass die Fluten wieder sinken, dass Gott ihn nicht vergessen hat. „Es taugt die Bitte, dass wir aus der Flut … immer versehrter und immer heiler stets von Neuem zu uns selbst entlassen werden.“ Wer bittet, der weiß, dass er es allein nicht schafft. Und dann die eigentliche Bitte: dass wir uns selbst nicht verlieren in der je eigenen Not. Uns eingestehen, dass wir versehrt sind und angewiesen auf das Wunder, Heilung zu erleben, die wir uns selbst nicht machen können: immer versehrter und immer heiler. Schaden nehmen und heil werden sind die beiden unbegreiflichen Seiten derselben Medaille. Es ist nicht leicht, darum zu bitten.

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