30 Jahre Mauerfall – Aufbruch in die Freiheit
Von Militärdekan Dr. Roger Mielke
Evangelisches Militärpfarramt Koblenz III (Zentrum Innere Führung)
„…wie ein Riss, der aufbricht und klafft an einer hohen Mauer, die plötzlich, unversehens einstürzt.“ Jeremia 30,13
An den 9. November 1989, einen Donnerstag, kann ich mich gut erinnern. Ich war Student in Erlangen. Wir hatten den Abend im Studentenwohnheim beim Bier zusammengesessen. Es war gegen 22 Uhr, als ein Freund in die Küche stürzte: „Die Mauer ist offen!“ Ein paar waren sich schnell einig: „Ins Auto und ab nach Berlin, das müssen wir sehen!“ Wir riefen hinterher: „Ruft an, wenn Ihr da seid!“ Dazu war später in der Nacht keine Chance. Die Telefonverbindungen waren hoffnungslos überlastet. Am Sonntag fuhren wir dann nach Jena, zum ersten Mal ohne Kontrollen. All das ist jetzt 30 Jahre her.
Es ist gut, sich diesen Aufbruch in die Freiheit vor Augen zu führen. Gerade weil die Bilanz im Rückblick so gemischt ist. Was bleibt? Das eine sicher: Politik kann auf Dauer keinen Erfolg haben mit Zwang und Lüge. Die Friedensgebete in den Kirchen der DDR hatten den Machthabern genau dies vor Augen geführt.
Der Riss in der Mauer, von dem der Prophet Jeremia spricht, war lange vorher sichtbar – der Einsturz kam dann sehr plötzlich. Der tschechische Schriftsteller, Dissident und spätere Präsident Vaclav Havel, drückte die Sehnsucht in den knappen Worten aus: „In der Wahrheit leben.“ Das bleibt eine immer neue Aufgabe, hoch aktuell in einer Zeit, in der die Sprache von Hass und Gewalt um sich greift. Der 9. November als Gedenktag zeigt die Abgründe des Politischen: Zwischen der Pogromnacht des Jahres 1938, die den Weg ebnete in den grauenvollen Völkermord an den europäischen Juden - und der Euphorie des 9. November 1989, mit ihrer Leidenschaft für die Freiheit. Der christliche Glaube ist ein Ruf in die Freiheit, er ist gerade deswegen auch Auftrag zur Gestaltung. Bis heute lebt unser Gemeinwesen aus dieser Quelle - gut, sich auch daran zu erinnern.