Leben in Vielfalt
Von Pfarrerin Stefanie Martin,
Schulpfarrerin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz
Eine Begegnung im Frühjahr hat mich nachdenklich gemacht. Es war der erste Tag des muslimischen Zuckerfestes. Der türkische Gemüseladen um die Ecke hatte trotzdem auf. Ich war froh deswegen, hat dieser Laden doch den besten Schafskäse in ganz Koblenz. Die Angestellten im Laden waren schicker angezogen als sonst, es wurde Tee getrunken und geplaudert. Der ganze Betrieb wirkte deutlich entschleunigt. Und trotzdem hatte ich den Eindruck, die Leute wären lieber zu Hause und würden das machen, was Familien an hohen Feiertagen so machen: zusammensitzen, reden, essen, Freunde und Verwandte besuchen, einfach Zeit haben für sich, die Familie und die jeweiligen Festtagsbräuche.
An der Kasse kam ich mit einer der Frauen ins Gespräch. „Warum machen Sie an Ihren Feiertagen nicht einfach zu?“, fragte ich sie. Die Frau antwortete: „Unsere Kunden hätten dafür kein Verständnis“. Schade eigentlich.
Das Leben in und mit der religiösen Vielfalt ist noch lange nicht selbstverständlich und will eingeübt sein. Seitdem nehme ich es mir noch intensiver vor, muslimischen Schülern schöne Feiertage zu wünschen, wenn welche anstehen. In meinem Kalender sind die Feiertage der Juden, der Christen und der Muslime schon gleichwertig abgedruckt. Man müsste nur ein wenig aufmerksamer sein.
Als ich letztens einer muslimischen Schülerin auf dem Schulhof einen schönen Feiertag wünschte, strahlte sie vor Freude über das ganze Gesicht. Die kleine Geste hat ihr offenbar sehr viel mehr bedeutet. In etwa: `Ich werde mit meiner ganzen Person und allem, was mir wichtig ist, wahrgenommen. Meine Religion und Kultur werden respektiert und wertgeschätzt.
Probieren Sie es aus: Gratulieren Sie Ihren muslimischen oder jüdischen Freunden, Kollegen oder Nachbarn zu deren Festen. Die nächsten Gelegenheiten dazu bieten das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana am 30. September und der große Versöhnungstag Jom Kippur am 9. Oktober.