Himmelfahrtsblues

Von Carmen Tomaszewski
Evangelische Pfarrerin in der ökumenischen TelefonSeelsorge Mittelrhein, Koblenz

Es gibt Zeiten – gerade, wenn ich intensive Begegnungen und Erlebnisse hatte – da fühl ich mich seltsam. Ein wenig stumpf, traurig, kurz albern, dann leer. Ich kann mich zu nichts aufraffen, obwohl die Wäsche wartet und im Flur vom letzten Katzenstreit noch Fellreste im Sonnenlicht tanzen…. Aber es geht irgendwie nix. Ach ja, für die Zeitung müsste ich auch noch was schreiben und eigentlich gehörten die Tomaten längst ins Hochbeet. … nix geht. In mir drin höre ich dann meine Selbstgespräche.  „du müsstest doch nur…“ „stell Dich nicht so an…“  All die Selbstoptimierer-Coaches, die  sagen, ich muss das nur positiv sehen, finde ich zum Kotzen… und gemeinerweise helfen frühere Überlebensstrategien nicht mehr: ich wandere zum Kühlschrank, aber ich weiß genau, dass die Schokolade es nicht besser macht, sondern mir nur mehr Selbstbeschimpfung beschert. Was mir normalerweise Freude macht, find ich auch bäh… Als säße irgendwo in mir eine nölende Teenagerin und motzt: ALLES DOOF!

Kennen Sie sowas? Wie reden Sie dann mit sich selbst? Ich bin froh, dass ich mich weniger ausschimpfe als früher und mehr versuche, still zu beobachten, was in mir abgeht: ich nenne es emotionale Verstopfung. Wenn ich aushalte, es nicht verändern zu wollen oder mit einem lieben Menschen teile, wie es mir gerade geht, beruhigt sich manchmal was und es wird besser. Ich sehe klarer und fühle mich friedlicher in mir.

Ich glaub ja, den Jüngern ging es nach Himmelfahrt so: total intensive Begegnungen hatten sie gehabt, eine irre Geschichte mit Jesus erlebt: Leiden, Sterben Auferstehung, neue Erfahrungen… und dann ist er weg. Und keiner weiß, wie es weiter geht… so ein emotionaler Kater mit Ratlosigkeit. Warten, bis sich was klärt. Himmelfahrtsblues. Still sein. Aushalten, wie es ist… vielleicht wird ja auch bei mir irgendwann Pfingsten und die Begeisterung kommt wieder. Hoffentlich.

Zurück