Gitarrenmusik berührt Seelen
Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski
Evangelische Seelsorgerin an der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz
…Wenn sie alles nur ätzend findet, die Warterei, die Ungewissheit, das Gitter vor dem Fenster und die geschlossene Tür, dann schnappt Lisa sich ihre Leihgitarre. Bei der Hitze verstimmt die sich manchmal. „Genau wie ich“, denkt Lisa. Aber glücklicherweise hat ihr der Seelsorger auch ein Stimmgerät gegeben. Sie sucht Töne, erst zaghaft, dann immer kräftiger. Die Frau, mit der sie ihren Haftraum teilt, ist sehr geduldig. Hört sich alles an. Die Klänge der Gitarre und den Gesang. Manches findet sie schön, sogar einen Song von den Onkelz.
Die Musik besänftigt ihre Seele. Macht die Situation zwar nicht anders, aber irgendwie erträglicher. Manchmal nimmt sie die Gitarre mit in den Freizeitraum. Sie haben ein zwei Lieder gefunden, die sie gemeinsam singen. Nicht alles würde in die Kirche passen, aber manches ja doch. Bei einigem muss sie vorsichtig sein, das treibt den anderen die Tränen in die Augen. Die Musik rührt Geschichten an.
Letztlich lässt sie sich überzeugen, ihre Gitarre mit in den Gottesdienst zu nehmen. Sie will keinen Auftritt. „Am besten soll mich keiner sehen. Hinter der Säule, da muss ich nicht sehen, wer mir zuhört.“ Lisa traut sich. Spielt ein Lied am Ende des Gottesdienstes. „our dreams are just dust in the wind.“ Das passt zu ihrer Situation, viele der Zuhörenden finden sich anscheinend wieder. Sie singt es wie geprobt mit der Pfarrerin zusammen, erst etwas zaghaft, aber dann immer sicherer. Die anderen Frauen haben auch geübt und singen den Refrain mit. Die Männer tun cool, aber auch sie applaudieren. Für den Mut, etwas vom Eigenen zu teilen. Für die Bereicherung des Sonntagmorgens. Und dafür, dass sie ihre Seelen berührt hat mit der Sehnsucht nach Lebendigkeit und Freiheit. Selbst wenn das auch weh tut.