Geschenktes verschenken
Von Pastorin Katrin Püschel
Öffentlichkeitsreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz
„Ist mein Humorzentrum noch intakt?“ Mit dieser Frage starte ich seit mehr als einem Jahr regemäßig in den Tag. Die aktuelle Zwischenbilanz fällt erfreulich aus. Ich kann lachen und Spaß an Kleinigkeiten bewahren. Es gelingt mir immer noch, Freundinnen, Freunde und fremde Personen sehr spontan mit oftmals ziemlich absurden Ideen aufzuheitern. In mir bleibt Dankbarkeit für das, was mir selbst wie ein göttliches Himmelsgeschenk vorkommt – Humor.
Nachrichten belasten. Soziale Kontakte sind selten geworden. Alltagstoleranz schwindet deutlich wahrnehmbar. Weiter geben, was ich selbst geschenkt bekommen habe, erinnert mich an ein gutes christliches Prinzip.
Ich beobachte Augen, die hinter Masken plötzlich lebendig werden. Eine Kassiererin im Supermarkt belausche ich, wie sie ohne jegliche Melodie einen geheimnisvollen Singsang von sich gibt. Wahrscheinlich ist es ein Ventil, um Stress abzubauen. Ich sehe sie freundlich an und sage: „Ich kann Ihnen einen Text zu dem Lied schreiben!“ Sie merkt kurz auf und lächelt mich an. Mir kommt es vor wie eine winzig kleine Oase für zwei Frauen in der Hektik des Alltags.
Ich bitte meine Friseurin, die Haare dieses Mal nicht so kurz zu schneiden. Ungefragt redet sie ohne Pause über das aktuelle Nervthema Nummer 1. Ich schweige, lasse ihre Worte bestmöglich an mir abperlen und warte auf die Gelegenheit, über ein anderes Thema zu sprechen. „Leben Sie alleine?“ „Nein“, erwidere ich, „mit meinem Kater, den habe ich noch kurz vor dem ersten Lockdown aus dem Tierheim befreit.“ Plötzlich strahlen die Augen der Friseurin. Sie erzählt von ihrem jungen Kater, der das Sofa zerkratzt oder auf dem Esstisch liegt. Erziehungsversuche? Absolut sinnlos. Ihre Energie überträgt sich mit enormer Ausdauer auf Kamm und Schere. Am Ende ist das Haar sehr viel kürzer als gewollt, aber ihre unerwartete Lebensfreude steckt mich an und ich sage mir ganz entspannt: „Das wächst ja wieder!“