Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken
Von Pfarrer Manfried Rademacher
Evangelische Kirchengemeinde Weißenthurm
Auf der Balkanroute quälen sie sich Flüchtlinge durch halb Europa. Hier werden sie zunehmend weniger gern aufgenommen. Ist das die Bilanz dieser Woche?
Nein. Mein Umfeld sieht nicht so schlimm aus. In Weißenthurm erblühen gerade Hilfseinrichtungen für Flüchtlinge. Sie finden hier z. B. Wohnungen. Einer von ihnen wurde unser Nachbar. Viele verstehen sich mit ihm gut. Sie mögen ihn. Er erfährt sich hier als gemocht. Deshalb fühlt er sich willkommen. Deshalb lernt er gerne Deutsch. Nein, wir können uns noch nicht fließend miteinander unterhalten. Aber wir fühlen uns beieinander willkommen.
Bei einer Gerichtsverhandlung wurde er als Flüchtling anerkannt. Auf der Heimfahrt telefonierte er mit seinen Angehörigen in seiner Heimat. Sie gratulierten ihm.
Er musste dort ihm wichtige Menschen zurücklassen. Seine Tochter würde er gerne von dort hierhin holen. So würde er gerne die Hilfe weitergeben, die er hier erfährt.
Als ich seine Telefonate mitbekam, lernte ich, wie wichtig für ihn sein Handy ist. Ich kann mit meiner Frau, meinen Kindern, meiner Mutter von Angesicht zu Angesicht reden. Er nur übers Handy. Ich hatte immer einen Festnetzanschluss. Ich hatte immer eine eigene Wohnung. Er hatte beides lange nicht. Ich lebe mit meiner Familie zusammen. Wir kümmern uns umeinander. Er kann sich nur via Handy ein wenig um die Seinen kümmern. Ja, er braucht sein Handy. Viel mehr besitzt er nicht.
Aber anderswie erscheint er mir reich. Mit seiner Freundlichkeit gibt er mir viel. Mit seiner Dankbarkeit tut er mir gut. Dank seiner Warmherzigkeit mag ihn so Mancher. Er ist eine Bereicherung für unsere Gemeinde. Folgendes Gotteswort ist wohl für den Fremdling wie den Einheimischen wohltuend: „Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken“.