Freiheitsentzug und Lockerungen

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski, Evangelische Seelsorgerin an der JVA Koblenz

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski,
Evangelische Seelsorgerin an der JVA Koblenz

Als die Beschränkungen im März begannen, wurde es im Gefängnis noch ein wenig enger. Kein Besuch, Gruppenangebote und Gottesdienste wurden ausgesetzt und auch bei Gericht wurde vieles noch langwieriger als normal. Als Seelsorgerin fühlte ich mich sehr hilflos. Wie organisiere ich jetzt  meine Arbeit?  Vertrauliche Gespräche mit Mindestabstand sind in kleinen Räumen nicht so leicht zu führen. Aller Kontakt ging nur analog, am besten schriftlich. Also Hirtenbriefe. Doch  ich hab den Inhaftierten geschrieben: eigentlich seid Ihr die Profis. Ihr habt lernen müssen, wie man mit Freiheitsentzug umgeht. Ihr müsst  seit Eurer Inhaftierung aushalten, dass  Entscheidungs-möglichkeiten und Freiräume massiv eingeschränkt sind. Die Menschen „draußen“ haben keine Idee davon, was sie erwartet: Eine Zeit, in der man intensiv auf sich selbst und eigene Lebensthemen zurückgeworfen wird. Eine Zeit, wo man nichts mit sich anzufangen weiß, obwohl man innerlich totalen Druck spürt, doch etwas tun zu müssen. Eine Zeit der Ungewissheit, wo keiner weiß, wie lange das  dauert. Und obwohl die Leute draußen oft deutlich mehr Platz haben als  8qm einer Einzelzelle, obwohl sie mehr als die eine Stunde Freigang in der Natur verbringen dürfen, werden viele schmerzhaft spüren, wie sehr sie das belasten wird. Ihr kennt das schon und könnt vielleicht Euren Freunden und Angehörigen Mut machen und  davon erzählen, wie ihr das schafft. Jeden Tag. Rund um die Uhr. In der ungewissen Untersuchungshaft ohne Aussicht auf schnelle Lockerungen.

Inzwischen gibt es „draußen“ wieder mehr Freiräume. Die Menschen haben Hunger nach Kontakt, nach Normalität. Viele Fragen sind in der Zeit der Freiheitsbeschränkungen aufgetaucht. Die werden wir miteinander diskutieren müssen um zu klären, wie wir als Gesellschaft miteinander leben wollen. Welche Regeln wir brauchen, damit das Miteinander funktioniert.

Auch die Frage danach, wie wir mit denen umgehen, die Regeln brechen, braucht Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass die eigene Erfahrung dieser Zeit nicht schnell wieder weggeräumt wird, sondern dazu führt, dass Menschen ein Gespür dafür behalten, dass Freiheitsentzug kein Kinderspiel ist.

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