Fragen stellen
Exaudi

von Pfarrerin Vera Rudolph,
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Lützel/ Neuendorf
„Was sucht ihr?“ fragt Jesus die sehnsüchtigen Männer, die später seine Jünger werden. Er fordert nichts, er predigt ihnen nicht - er stellt eine Frage. Das hat mich neugierig gemacht. So erfuhr ist, dass Jesus mehr als 300 Fragen stellt, aber weniger als zehn Mal auf eine Frage antwortet. Die ersten Worte des 12jährigen Jesus sind Fragen an Maria und Josef: „Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?“ Und Jesu letzte Worte sind die qualvolle Frage: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Immer wieder begegnet uns der fragende Jesus. Nach dem Seesturm tröstet er die Jünger: „Warum habt ihr Angst?“; auf dem Weg nach Jerusalem fordert er sie heraus: „Für wen haltet ihr mich?“; in der Bergpredigt bringt er sie zum Nachdenken: „Wie kommt es, dass ihr den Splitter im Auge des anderen seht und den Balken im eigenen Auge nicht?“, „Was nützt es, wenn man die Welt gewinnt und seine Seele dabei verliert?“; zärtlich fragt er Magdalena: „Warum weinst du?“ und erwartungsvoll Petrus: „Liebst du mich?“. Fragen spielen bei Jesus eine große Rolle. Ein Konzept, das wir übernehmen könnten? Zunächst im Sinn von nachfragen, sich für den anderen interessieren. „Wie geht es dir? Was denkst du? Was treibt dich an?“ Daran müsste man uns Christen und Christinnen erkennen: dass wir unsere Mitmenschen wahrnehmen und fragend Anteil nehmen. Weiter kann Fragen als Grundhaltung bedeuten, dass ich mich informieren möchte, nicht stehen bleibe bei einmal gewonnenen Ansichten. „Antworten schließen ab, Fragen schließen auf“, sagt ein Sprichwort. So gesehen sollten wir den Glauben immer wieder aufschließen, um verständlich und überzeugend zu sein. Schließlich ist Fragen auch kritisches Hinterfragen. Gerade in Glaubensdingen sollten wir prüfen, was uns angeboten wird. Wir dürfen ausprobieren, eigene Erfahrungen machen, eigenständig denken. Nur so bleibt der Glaube lebendig und vertieft sich unser Verständnis. Jesus ist kein Besserwisser, der Antworten vorsetzt. Er motiviert, Fragen zu stellen, selbst nach der Wahrheit zu suchen, sich zu überzeugen. „Kommt und seht!“