Evangelisch fasten?!

Von Pfarrerin Vera Rudolph
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Lützel

„Luft holen“ lautet das Motto der evangelischen Fastenaktion 7-Wochen-ohne. Luft holen und die Fastenzeit nutzen, um Alltagsgewohnheiten zu überdenken, Platz für Veränderungen zu machen, zu neuen Einsichten zu kommen. Passt das: Evangelisch und Fasten? In der Alten Kirche bereiteten sich die Katechumenen fastend auf ihre Taufe an Ostern vor. Im Mittelalter gestalteten besonders die Mönchsorden das Fasten aus: man fastete mittwochs und freitags und an Feiertagen, um Gott näher zu kommen oder sein Wohlwollen zu gewinnen. Bald waren alle Christen verpflichtet, regelmäßig zu fasten. Die Reformatoren kritisierten diese Praxis: sie überschätze die Möglichkeiten der Menschen und unterschätze die Möglichkeiten Gottes. Ulrich Zwingli sagte: „Willst du gerne fasten, dann tu es. Lass mir dabei aber dem Christen die freie Wahl!“ Mancherorts rief man sogar demonstrativ zu Wurstessen in der Fastenzeit auf. Das Fasten wurde in protestantischen Kreisen unüblich. Erst in den 1980er Jahren entdeckten wir es wieder. Zunächst tat sich eine kleine Gruppe aus Theologen und Journalisten zusammen, um in den Fastenwochen Abstand zu nehmen von Konsum und Überfluss und ein einfacheres Leben auszuprobieren. Die Idee machte Schule, 1989 zählte man 300.000 Teilnehmende, heute machen Millionen Menschen mit. Dabei geht es nicht um Buße, auch nicht um Selbstoptimierung. Sondern – in evangelischer Freiheit - um eine Zeit der Selbstbesinnung. So heißt es auf der Website der Fastenaktion: „Sie… folgen der Einladung zum Fasten im Kopf: die Routine des Alltags hinterfragen, eine neue Perspektive einnehmen, entdecken, worauf es ankommt im Leben“. Evangelisch fasten? Vor Gott werden wir dadurch keine besseren Menschen; doch es ist eine Möglichkeit, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren und einfach mal wieder: Luft zu holen.

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