"Er schreibt in den Sand"

Von Pfarrer Gerd Götz
Evangelische Kirchengemeinde Vallendar

Da ist ein Mob unterwegs. Mit augenscheinlich gutem Grund. Sie wollen Recht schaffen. Sie wollen ihrer Entrüstung und ihrer Erschütterung Raum geben. Gegen eine Frau. Die Unrecht getan hat oder getan haben könnte. Sie bringen sie zu ihm. Und wollen von ihm eine Bestätigung.

Und was tut er? Er setzt sich und schreibt mit den Fingern in den Sand. Er greift nicht direkt ein. Er tut etwas offensichtlich Unpassendes. Er setzt sich dazwischen. Zwischen die Stühle. Und schreibt in die Erde. Was schreibt er? Wir wissen es nicht. Er nimmt sich Zeit. Und gibt diese Zeit auch den Anderen. Keine voreilige Verurteilung der einen wie der anderen Seite. Und dann sagt er etwas. "Wer von Euch noch nie einen Fehler gemacht hat, der werfe den ersten Stein auf die Frau." Und einer nach dem anderen geht weg. Er hat sie nicht verurteilt und weggeschickt. Sie haben selbst entschieden zu gehen. Sie hatten Zeit und die richtige Frage.

Bei aller immer wieder gegebene Not-Wendigkeit schnell einzugreifen, um Leben zu schützen, ist damit noch nicht das Urteil gesprochen, die Lösung gefunden. Das aber tut Not.

Wo haben wir und wo lassen wir Anderen Zeit, um die richtigen Fragen zu stellen und dann hilfreiche Antworten zu finden? Alles muss schnell gehen. Und schnell ist einfacher. Weil es uns vielleicht nicht berührt und wir dann eine schnelle Lösung haben und schnell wieder weg können.

Das Leben ist aber gar nicht so schnell. Das Leben braucht Zeit. Und Lösungen für ein gemeinsames Leben auch. Und Erkenntnisse über und für uns selber auch. Bevor wir uns und Andere verurteilen wäre es gut, wenn uns einer Zeit gibt und die richtigen Fragen stellt. Oder wir geben uns selbst diese Zeit. Dann finden wir vielleicht die Antworten. Antworten für das Leben. Für unser Leben und das Leben der Anderen. So wie im 8. Kapitel des Johannesevangeliums.

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