Ein sehr besonderes Tattoo
Von Pfarrerin Stefanie Martin, Koblenz
Tattoos haben heute viele. Manche sind ganz schön, andere nicht so. Aber die meisten haben für den Träger eine tiefere Bedeutung.
Auf der Hochzeit einer Freundin lernte ich eine Frau kennen, die hat sich das Wort „Mängelexemplar“ auf den Nacken tätowieren lassen. Kein Zweifel, dass sie sich selbst damit meint. Es ist das Fazit der eigenen, gelebten Geschichte und nicht nur ein witziges Zitat eines Buchtitels.
Für so viele Leute heutzutage gilt das Leitbild der Selbstoptimierung. Immer perfektionistischer werden, sich voll im Griff haben, ultra-leistungsfähig sein, keine Fehler machen, stets erfolgreich, keine Pause, Scheitern verboten, Grenzen gibt es keine.
Dass man sich mit so einem Selbstbild gnadenlos überfordert und sich am Ende ausgebrannt und gescheitert fühlt, ist kein Wunder. Die Einsicht, dass man um Gottes Willen gnädiger mit sich selbst umgehen soll, dass man sich auch mit seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten akzeptieren darf, dass man eben ein „Mängelexemplar“ ist, kommt oft spät und ist schmerzhaft und befreiend zugleich. Schmerzhaft, weil es das bisherige Lebenskonzept radikal in Frage stellt, befreiend, weil man sich anerkannt und vorbehaltlos angenommen fühlt. So kann man auch andere eher annehmen. Das Gebot von Jesus, „liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“, ist wohl so gemeint.