Ein Augen-Blick
Von Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel,
Schulreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz
Worauf haben Sie ein Auge geworfen? Wo drücken Sie schon einmal ein Auge zu? Redewendungen, in denen die Augen eine Rolle spielen, gibt es viele. Ob die Rede vom Augenblick oder das Vier-Augen-Gespräch, das interessanterweise nicht Vier-Ohren-Gespräch heißt, oder die vorwurfsvolle Frage „Hast du keine Augen im Kopf?“, die Fülle der Redewendungen und Wortverbindungen sind Anzeichen für die Bedeutung, die wir dem Auge beimessen. Das Auge kann liebevoll, drohend, traurig, begehrlich, abweisend, fröhlich blicken, ist in der Lage zu einer Kommunikation auch ohne Worte. Dass in den Augen die Seele wohnt, davon war bereits ein römischer Gelehrter im 1. Jahrhundert nach Christus überzeugt. Ob der direkte Blickkontakt dabei als wünschenswert und positiv oder als unhöflich bzw. respektlos empfunden wird, ist kulturell durchaus verschieden. Auf jeden Fall sind die Augen, neben den anderen Sinnen, ein wichtiger Zugang zur Welt und zu anderen Menschen.
„Meine Augen“ (Okuli) – das ist der Name des kommenden Sonntags. „Meine Augen“ so lautet nämlich der Beginn von Psalm 25,15. Dort heißt es weiter: „Meine Augen sind beständig auf den HERRN gerichtet.“ Das ist nicht so gemeint, dass der Beter Gott sieht, wie wir ein menschliches Gegenüber sehen. Vielmehr richtet der Beter seine ganze Aufmerksamkeit auf Gott. Diese Aufmerksamkeit geht uns bei all den Erfordernissen des Alltags manchmal verloren. Die Passions- oder Fastenzeit lädt in besonderer Weise zu dieser Aufmerksamkeit ein. Sie lädt ein, immer wieder ein Auge auf Gott zu werfen. Die Bibel kann auch von den Augen und dem Blick Gottes sprechen. Dass Gott und Mensch sozusagen Blickkontakt aufnehmen können, das ist für mich eine gute Vorstellung. Im Alltag (und natürlich auch am Sonntag) mit Gott im Blickkontakt zu sein, das wünsche ich mir.