Dünne Haut und dickes Fell
12. Sonntag nach Trinitatis
Von Superintendent Pfarrer Rolf Stahl
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Lützel.
Im Dom zu Linz in Österreich wurde im Juli eine Figur ausgestellt. Esther Strauß hatte sie angefertigt. Sie stellte die gebärende Maria da. Gedacht war sie für eine Weihnachtskrippe zwischen Herbergssuche und Anbetung der Hirten. Kurz nach der Eröffnung wurde ihr der Kopf abgesägt. Die Tat wird als stiller Protest gegen die empfundene Verletzung religiöser Gefühle gewertet. In Paris war Thomas Jolly verantwortlich für die Eröffnungsfeier zur Olympiade. In einer Szene erkannten kirchliche Vertretende eine für sie zu freizügige Anspielung auf das „Das Letzte Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci. Von Verhöhnung und Verspottung des Christentums war schnell die Rede und die Aufregung groß. Während derselben Eröffnungszeremonie wurde John Lennons „Imagine“ eingespielt. Er singt von einer Welt ohne alles, wofür man sterben oder töten muss, in der alle in Frieden zusammen leben. Der polnische Sportreporter Przemysław Babiarz bezeichnete in seinem Kommentar die Vision Lennons als irgendwie kommunistisch. Er wurde daraufhin sofort von seinem Sender freigestellt. Inzwischen haben sich die Gemüter wieder beruhigt. Die Ausstellung in Linz ist beendet. Die anstößige Szene in Paris stellte sich Zitat aus der griechischen Mythologie heraus. Der polnische Sportreporter darf wieder arbeiten. Trotzdem sind die drei Beispiele ein deutlicher Hinweis, wie dünn die Haut gerade für viele ist. Die einen fühlen sich verletzt. Die anderen sehen die Freiheit von Meinung und Kunst in Gefahr. Ich wünsche mir für mich ein dickeres Fell. Wenn ich etwas anders sehe als andere, möchte ich mich nicht sofort angegriffen fühlen. Ich stelle mir lieber wie bei „Imagine“ vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben können, auch wenn sie nicht in allem einer Meinung sind.