Dreh- und Angelpunkt in der Pandemie: Menschliche Würde

Von Reinhard Behnke, Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Von Reinhard Behnke,
Landespfarrer für Polizeiseelsorge, Koblenz

Seit zehn Monaten regiert uns in Sachen Corona eine kleine Gruppe, bestehend aus den Ministerpräsidenten und -präsidentinnen, der Bundeskanzlerin und Beraterinnen und Beratern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie Medizin und Wirtschaft. Sie schränken dabei auch unsere Grundrechte ein, das Recht auf Freizügigkeit zum Beispiel. Dieser zentrale Ausdruck unserer Würde, selbst bestimmen zu können, wo und mit wem wir uns treffen, wird derzeit arg strapaziert um eines anderen hohen Gutes willen: dem Schutz vor einer weiteren Ausbreitung der Pandemie.

In dieser Situation befürworten viele Menschen das derzeitige Regieren. Andere sorgen sich um den demokratischen Rechtsstaat, weil bestimmte Entscheidungen nicht mehr in dem von uns gewählten Parlament getroffen werden. Die einen halten den Macher Söder für den geeigneten Krisenmanager, anderen graut vor seiner oftmals autoritär anmutenden Art. Egal, wo man sich zuordnet, die dauerhafte Stabilität unserer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft, in der auch unsere Religionsfreiheit als Christen möglich ist, wird nur zum Teil durch Politiker*innen gewährleistet. Ebenso sind wir es, Bürgerinnen und Bürger, Christinnen und Christen, die durch ihre wache Begleitung der politischen Entscheidungen in Stadt und Land dazu beitragen, dass unser Leben so bald wie möglich wieder in der alten Freizügigkeit möglich ist. Weder taugt hierbei die unkritische, manchmal gar in vorauseilendem Gehorsam beschlossene Einhaltung der aktuellen Verordnungen. Noch taugt die Verharmlosung der aktuellen Pandemie, die in fundamentalistischer Deutung mitunter als „Strafe Gottes“ qualifiziert wird. Christlich motivierte politische, d.h. öffentlich wahrgenommene Verantwortung bedeutet, sich auf das kontroverse Gespräch einzulassen über die Art und Weise, wie die Politik mit der Pandemie umgeht und dafür einzutreten, dass unsere menschliche Würde der Dreh- und Angelpunkt aller Politik bleibt. Darin kommt nicht zuletzt auch unser Gottvertrauen zum Ausdruck.

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