Die Träume des Pharao
Von Rolf Stahl
Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz
Der Pharao träumte von fetten und mageren Kühen. Die mageren fraßen die fetten. Dann träumte er von vollen und leeren Ähren. Die leeren verschlangen die vollen. Was sollte das bedeuten? Josef, der Fremde aus Kanaan, deutete die Traumbilder. Dem Pharao gab er einen Rat: Nutze den Überschuss der fetten Jahre, um den Mangel der mageren auszugleichen. Das ließ sich der mächtige Staatsmann nicht zweimal sagen. Mit Josef an der Spitze setzte er die Botschaft seiner Träume um. Vorausschauend und nachhaltig legten sie Vorräte an. Das war gut so. Es kamen fette Jahre. Ihren folgten magere. Die Vorräte kamen nicht nur den Ägyptern zu Gute, sondern auch vielen anderen, die aus ihrer Not heraus Zuflucht am Nil suchten und fanden (1. Mose 41).
In diesem Jahr wäre es in den Träumen des Pharao wohl eher um fette und magere Monate gegangen, noch dazu in umgekehrter Reihenfolge. Es war ein magerer Sommer. Wegen der großen Dürre gab es Einbußen bei der Getreideernte. Dem folgte ein eher fetter Herbst. Es gab überreichlich Obst. Die Bäume hingen voll. Die Äste bogen sich zum Brechen. Wohin mit all dem Überfluss? Für manche wurde die Rekordernte zum Alptraum. Zum Beispiel für Apfelbauern in der Republik Moldau. Sie gilt als ärmstes Land Europas. Mit ihrer reichen Apfelernte hätten die Bauern dringend nötige Einnahmen erwirtschaften können. Leider können sie ihr Obst nicht in die Europäische Union exportieren. Die Äpfel sind nicht dick genug. Sie fallen durch das Raster europäischer Normen. Wir könnten uns den Pharao als Beispiel nehmen und einiges lernen aus den Alpträumen unserer Gegenwart.