Der Tag danach
Invocavit
von Hendrik Dreis
Gemeindereferent für Kinder- und Jugendarbeit
in der Freien Evangelischen Gemeinde Koblenz
Der Morgen nach dem Fest ist ruhig. Die Straßen sind leer. Hier und da werden die letzten Schnipsel vom Karnevalszug zusammengefegt. Die Stimmung ist nüchtern, fast schon ein Kontrast zur ausgelassenen Feier. Fastenzeit.
Ich steige in die Familienkutsche und fahre zum Supermarkt. Der Wocheneinkauf steht an. Doch trotz der Fastenzeit unterscheidet sich meine Einkaufsliste nicht von der letzten Woche. Die Blaubeeren aus Peru und die Avocado aus Südafrika landen weiterhin in meinem Einkaufswagen – obwohl ich mir vorgenommen hatte, saisonal und regional einzukaufen.
Verzichten fällt mir schwer. Es ist nicht “in”. Die Werbeslogans, die sich in mein Hirn gebrannt haben, empfehlen mir alles andere als bewussten Verzicht. Mal ehrlich: Ich möchte das, was ich habe, ungern loslassen. Es verspricht mir zumindest ein kleines bisschen Sicherheit in diesen bewegten Zeiten.
Verzicht erfordert eben Mut. Zum Glück bin ich nicht allein damit. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Übung. Jeder entscheidet individuell, worauf er oder sie verzichten möchte – sei es bei Lebensmitteln, Alkohol, bestimmten Tätigkeiten oder Verhaltensweisen.
All diese Dinge haben etwas gemeinsam: Sie können zur Last werden. Verzicht ist also eher eine Befreiung – eine Konzentration auf das Wesentliche.
Ich wünsche mir viele fastende Menschen. Menschen, die erkennen, wie gut sie es haben. Menschen, die lernen, wie wenig sie tatsächlich brauchen, um glücklich zu sein. Menschen, die Vertrauen haben, dass genug für jeden da ist. Denn haben wir mehr Mut und Vertrauen als Verlustangst, verändert sich nicht nur unser Lebensstil, sondern auch die Welt.
Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche dir eine gesegnete und bewusste Fastenzeit, viel Mut und Geduld mit dir selbst. Und vielleicht findest du deine kleine Stelle, an der du üben möchtest – auch wenn es “nur” Schokolade ist.