Der Duft der Fülle

Von Pfarrerin Carmen Tomaszewski
Ökumenische Telefonseelsorge Mittelrhein

Ich hab mich wieder hingelegt. Der Morgen ist noch jung. Als ich vorhin erwachte, hab ich den letzten Schritt getan. Vorsichtig den Laib aus dem Gärkörbchen in den Eisentopf gebettet und in den Ofen geschoben. Während der seine Arbeit macht, sinne ich über gestern nach. Trauben hab ich geerntet, mehrere Kilo hat der Weinstock am Haus mir geschenkt. Jede einzelne entstielt und gewaschen, zerkleinert und durch die Lotte gejagt. Den Saft mit Gelierzucker aufgekocht und in Gläser gefüllt. Nüsse gesammelt und geknackt, ich spüre noch jetzt die Stelle am Daumen, wo der Nußknacker fast eine Blase hinterlassen hat. Den Sauerteig aus dem Kühlschrank befreit, die notwendige Menge genommen und den Rest wieder gefüttert, Mehl und Körner abgewogen und mit genau der richtigen Menge Wasser vermischt. Das Kneten überlasse ich dem Knethaken. Die Nüsse tanzen im Teig. Mehrfach hab ich den Teig gefaltet, schließlich am späten Abend in sein Körbchen  im Kühlschrank zur Ruhe gelegt. Dann bin ich schlafen gegangen. In der morgendlichen Muße sehe ich all das Glück, dass darin liegt: dass der Nußstrauch in diesem Jahr so übervoll ist. Dass die Wespen mir noch Trauben gelassen haben, die viel Saft und Süße in den Septembertagen getankt haben. Auch wenn die Ernte in diesem Jahr nicht so gut war, kann ich trotzdem Mehl kaufen und habe Zugang zu frischem Trinkwasser. Ich kann dazu beitragen, mich gesund zu ernähren und habe sogar Zeit, Vorräte aus dem eigenen Garten haltbar zu machen. Es ist Erntezeit. Ich schließe die Augen und denke, so viel steckt in all dem, was ich selbstverständlich zum Leben nutze: Sonne und Regen im rechten Maß, Aufmerksamkeit und Arbeit und viel Segen. Wenn alles gut gegangen ist, wird es gleich  nach frischem Brot duften. Und zum Frühstück gibt es mein ganz eigenes Morgen“abendmahl“, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Dankbarkeit durchzieht mich wie der Duft des Brotes.

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