Denkmäler stürzen, Straßen umbenennen?

Von Militärdekan Dr. Roger Mielke Ev. Militärpfarramt Koblenz III (Zentrum Innere Führung)

Von Militärdekan Dr. Roger Mielke
Ev. Militärpfarramt Koblenz III (Zentrum Innere Führung)

"Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen." Jesaja 42 Vers 3, Wochenspruch zum 12. Sonntag nach Trinitatis
Denkmäler stürzen, Straßen umbenennen?

Am 25. Mai wurde der Afro-Amerikaner George Floyd in Minneapolis von einem weißen Polizisten getötet. Auf digitalem Wege liefen die Bilder dieses kaltblütigen Verbrechens um die ganze Welt. Hunderttausende protestierten auf den Straßen und Plätzen der globalen Metropolen, auch in Deutschland - trotz Corona. Die Proteste verstummen nicht. Denkmäler werden vom Sockel gestürzt, Straßen sollen umbenannt werden. Der Widerspruch gegen Ausgrenzung ist bitter nötig, Rassismus muss klar beim Namen genannt werden. Und doch bleiben Fragen offen. Wird die Polarisierung unseres Landes nicht noch weiter verschärft? Brauchen wir nicht eher Verständigung über Gemeinsames als Abgrenzung in Zugehörigkeiten? Aber womit beginnt Verständigung? Ich denke an die Heilungsgeschichten der Evangelien, bis heute eine wichtige Inspiration für eine humane Gesellschaft. Jesus holt ausgegrenzte Menschen zurück in die Gemeinschaft. Erste Schritte dazu: Jesus sieht hin, hört zu, berührt. Mit einem Wort: Begegnung. Diskriminierung ist eine bittere, schmerzhafte Erfahrung. Aber alles durch die Brille der Diskriminierung zu sehen, heißt Spaltungen zu vertiefen, nicht sie zu überwinden. Wir brauchen Orte des Zuhörens, der Begegnung, der Heilung. Unsere Kirchen und Gemeinden etwa können und sollen solche Orte sein. Niemand hat das Recht, das Evangelium für Rassismus und Ausgrenzung zu missbrauchen. Mir leuchtet ein, was Der Philosoph Thomas McCarthy sagt: „Die Opfer müssen das erste Wort haben; das bedeutet nicht, dass ihnen auch das letzte Wort zukommt.“ Am 19. August war es genau ein halbes Jahr her, dass ein rechtsextremer Attentäter in Hanau zehn Menschen mit Migrationshintergrund ermordete. Den Familien der Opfer müssen wir zuhören - und darüber sollten wir reden.

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