Das Kreuz mit dem Kreuz
Von Pfarrer i.R. Rainer Bärwaldt
Evangelischer Kirchenkreis Koblenz
Sollten die Kirchen nicht froh sein, wenn ihr Hauptsymbol neuerdings per Kabinettsbeschluss in allen bayerischen Amtsgebäuden im Eingangsbereich angebracht sein soll? Dies will der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder und mit ihm wohl große Teile der CSU.
Von führenden Kirchen-Repräsentanten und verschiedenen kirchlichen Organisationen - mal ganz abgesehen von politischen Bedenken in den Reihen der Opposition - findet sich aber entschiedener Widerspruch im Namen der christlichen Botschaft. Am stärksten vielleicht durch den Erzbischof von München und Freising, Reinhold Kardinal Marx, der Söder vorwirft, das Kreuz nicht verstanden zu haben. Sonst könne man es nicht verordnen. Es sei mehr als ein Kultursymbol, nämlich Glaubensbekenntnis. Nicht zu gesellschaftlicher Spaltung zu gebrauchen.
In den Kritikern sieht wiederum der Generalsekretär der CSU, Markus Blume, eine „unheilige Allianz von Religionsfeinden und Selbstzweiflern.“ Ein meines Erachtens absurder Vorwurf gegen den engagierten Bischof und andere, die das Kreuz nicht missbraucht sehen wollen als Mittel kultureller und politischer Selbstbekundung.
Tatsächlich zeigt die Geschichte des Christentums sehr deutlich die Versuchung, das Kreuz als Machtanspruch der eigenen Glaubenswahrheit zu missbrauchen. Dabei ist das Kreuz ursprünglich gar nicht geeignet, es so zu verstehen. Der Galgen des römischen Reiches führt vielmehr seine Opfer in ekelhafte Folterqualen, äußerste Schwäche, Entwürdigung und bittersten Tod. Man mag sich das nicht ausmalen. Der Gekreuzigte ist zutiefst gequälte Kreatur. Tatsächlich wurde das Kreuz in der frühen Christenheit deshalb überhaupt nicht verehrt. Es galt als abstoßend und schändlich. Das änderte sich erst unter dem römischen Kaiser Konstantin, der 313 n.Chr. die Entwicklung des Christentums zur Staatsreligion im Jahr 380 n.Chr. einleitete, nachdem ein leuchtendes Kreuz im Traum ihm den Sieg über seine Gegner signalisierte. Von nun an entwickelt sich das Kreuz auch als Zeichen eines imperialistischen Glaubensverständnisses. In den Tiefpunkten der Kreuzzüge, der Zwangsbekehrungen und Ausbeutung der indigenen Völker durch die Konquistadoren, in der Inquisition, der Hexenverfolgung den Gräueln der Konfessionskriege, der Judenverfolgungen wurden unzählige Opfer unter dem Zeichen des Kreuzes geschändet und umgebracht. Und so wurde der arme Jesus vom Kreuz immer wieder verraten und aufs Neue in der gequälten Kreatur ans Kreuz geschlagen.
Nein, das Kreuz des Jesus von Nazareth eignet sich nicht zur kulturellen und politischen Machtbekundung, wenn es nicht ganz seinen Sinn verlieren soll. Es lässt den Glaubenden hoffen, in seinem eigenen Leid und unausweichlichem Tod - also in seinem Kreuz - nicht von Gott verlassen zu sein. Und dann von Ostern her die Hoffnung zu finden: Das Kreuz ist leer, überwunden durch die Auferweckung des Gekreuzigten. Hoffnung für alle Opfer. „Es muss ja alles gut werden, weil Christus auferstanden ist.“ (S. Kierkegaard)