Baum 136

Von Pfarrer i. R. Sven Dreiser, Rieden

Alles hat seine Zeit. Auch das Nachdenken über den eigenen Tod – mitten im Sommer. Bei einer Wanderung nach Maria Laach entdecke ich in einem idyllischen Waldstück bei Bell ein großes Holzkreuz und einen Basaltstein wie einen Altar. Davor stehen einige Bänke, die zum Ausruhen einladen. Ich schaue mich um und entdecke kleine blaue und gelbe Markierungen an den Bäumen drumherum. Seit Kurzem ist der neue Ruheforst für Bestattungen freigegeben.

Mir gefällt der Gedanke, hier meine letzte Ruhe zu finden. Und ich habe auch schon „meinen“ Baum gefunden: eine gerade gewachsene Eiche in der Nähe des Wanderweges mit einem fernen Blick in Richtung Maria Laach. Der Baum mit der Nummer 136. Vor Jahren schon habe ich bei dem Bestatter meines Vertrauens einen Vorsorgevertrag abgeschlossen und möglichst viele Punkte vorab festgelegt. Meiner Familie habe ich viele Entscheidungen abgenommen. Das Abschiednehmen fällt so vielleicht etwas leichter, hoffe ich. Ja, zwischen den Wurzeln „meines“ Baumes möchte ich bestattet werden. In einer Urne, die biologisch abbaubar ist. Zurück zur Natur. Es ist gut zu wissen, wo meine Asche hinkommt. Nicht irgendwo anonym auf einem Stück Rasen und dem Vergessen hingegeben.

Sondern im Schatten alter Bäume, an denen Wanderer vorbeikommen und fröhlich ihr Lied vom Leben singen. In den Ästen flüstern die Erinnerungen. Vor allem die schönen. Mitten in diesem Sommer habe ich „meinen“ Baum gefunden. Ich muss an die Verse von Jochen Klepper denken: „Ich liege, Herr, in deiner Hut und schlafe ganz mit Frieden.
Dem, der in deinen Armen ruht, ist wahre Rast beschieden.“

Baum 136 wartet auf mich. Und bis es so weit ist, werde ich leben. Jeden Tag und Augenblick auskosten. Die Liebe genießen. Freundschaften pflegen. Hoffnung haben. Glauben feiern. Und mich mit tiefer Gelassenheit auf das Ewige nach dem Tod freuen.

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