„aus der Zeit gefallen und mittendrin“
Von Superintendent Rolf Stahl, Koblenz
Es sind schon besondere Zeiten, in denen wir gerade leben. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit, hätten wir sie uns so gar nicht vorstellen können. Die aktuelle Dekade der Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts mutet uns in kürzester Zeit einiges zu. Zumindest kann es so vorkommen. Vielleicht war es nie anders. Dazu, darüber tiefer nachzudenken, kommen wir gar nicht. Ein Ereignis jagt das nächste, eine Katastrophe die andere, ein Schnellschuss die folgenden. Vieles wird wie immer erst mit größerem zeitlichem Abstand klarer werden. Das ist so und lässt sich nicht ändern, auch wenn wir es gerne so hätten. Manche versuchen dennoch, auch jetzt schon alles eindeutig und zeitlos auszulegen. Anfang Mai erklärte der Bundeskanzler mit überzeugter und leidenschaftlicher Geste, dass angesichts der aktuellen Lage Pazifismus aus der Zeit gefallen sei. Was meint er damit? Stimmt er ein in eine neue Bewertung von Gewalt und möglichen Rechten, sie anzuwenden? Hoffentlich nicht. Pazifismus lässt sich mit Friedensliebe übersetzen. Radikale Friedensliebe ist weder politischer Extremismus noch saisonale Angelegenheit für Zeiten, in denen ihr alle bedenkenlos zustimmen können. Sie ist eine recht unbequeme Haltung. Sie findet sich mit Konflikten nicht ab und sucht unermüdlich nach friedlichen Lösungen. Pazifismus speist sich aus verschiedenen Quellen auch aus religiösen. Für mich gehört dazu Gottes Wort, sein Evangelium, seine gute Botschaft für diese Welt. Wenn Friedensliebe aus der Zeit gefallen scheint, dann ist es höchste Zeit, zeitgemäß für sie zu werben und sich zu ihr zu bekennen. Wir stecken mittendrin in einer Zeit und Welt, die offensichtlich an dieser Stelle dringend Nachholbedarf hat.