Lebendige Erinnerung

Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel

Von Pfarrerin Dr. Anja Angela Diesel
Schulreferentin des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Am 27. Januar 1945 wurden die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Den Jahrestag begehen wir als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Je jünger wir sind, desto größer ist der Abstand, oft auch der innere Abstand, zu dieser Zeit. Diejenigen, die uns bis in unsere Tage unmittelbar mit jener Zeit verbinden, die Zeitzeugen, Menschen, die uns nahe bringen, was sie erlebt haben, werden aus Altersgründen immer weniger. Noch können uns einige direkt sagen: "Vergesst nicht! Heute steht ihr in der Verantwortung. Nicht für die Vergangenheit, aber für eure Gegenwart und für die Zukunft!" Wenn sich diese Stimmen nicht mehr selbst Gehör verschaffen können, wächst unsere Verantwortung, lebendig zu halten, wofür sie stehen. Christen sollte das nicht so schwer fallen. Gründet sich unser Glaube doch auf biblische Zeugen, die aus viel fernerer Vergangenheit zu uns sprechen. Wir lassen uns aus dieser Vergangenheit bis heute und für heute ansprechen. Wir sollten wissen, dass Erinnern, dass Im-Gedächtnis-Halten keineswegs rückwärtsgewandt ist, sondern dass uns das Erinnern auf den Weg schickt und Wege aufscheinen lässt, auf denen Leben miteinander, Leben für alle, Zukunft hat. So geht es auch im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, sei es in Form eines Mahnmals, in Worten, Bildern, Tönen nicht darum, Vergangenes mehr oder weniger pietät­voll zu konservieren. Es geht darum, dass wir uns weiter direkt ansprechen lassen. Wenn uns diese Zeit auch je länger desto ferner rückt, die Mechanismen, die in ihr wirksam waren, sind ganz und gar nicht fern. Dass die Würde des Menschen, jedes Menschen, unantastbar ist, muss gelebt werden in jeder Zeit neu. Vergessen wir nicht!

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