Advent - Zeit heimzukommen

Ruth Stein

Von Ruth Stein
Schulpfarrerin am Koblenzer Görres-Gymnasium

So könnte es gewesen sein: Ein Lebensmittelkonzern will einen Werbeclip in der Adventszeit schalten.

Der Werbemanager überlegt: „O.K., Advent, Weihnachten, das ist ja als Setting vorgegeben, Bezugsrahmen Familie ergibt sich damit zwangsläufig. Aber mir fällt keine gute Story ein: alle Umfragen zeigen, dass ´Familie` bei den Deutschen einen ganz hohen Wert darstellt, aber heile Familie beim Weihnachtsschmaus unterm Tannenbaum, das passt nun wirklich nicht in unsere moderne Zeit. Unser Werbeclip müsste also eine Geschichte erzählen, die zum Advent passt, in der Familie wichtig ist, - aber eben Familie mit ihren modernen Problemen. Und schließlich wollen wir Lebensmittel verkaufen, also müsste es am Ende ein großes Essen geben, alle sind gut drauf und vertilgen die Sachen, die sie bei uns gekauft haben.
Wir Werbeleute bedienen uns ja oft bei irgendwelchen biblischen Geschichten, any idea?“

Theologin: „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das passt genau: ein Sohn lässt sich das Erbe auszahlen, - also heute würde man sagen, die Eltern investieren in sein berufliches Fortkommen -, und er geht ins Ausland, lebt da ein äußerst umtriebiges Leben und hat seinen Vater völlig aus dem Blick verloren. Aber er scheitert beruflich und finanziell und...“

Werbemanager: „Scheitern geht nicht, die Leute sollen sich ja damit identifizieren. Deshalb müssen wir auch mehrere Kinder daraus machen, Söhne und Töchter und am besten noch Enkel, da kann sich jeder rein versetzen. Und die sind alle einfach so weit weg und dermaßen beschäftigt, dass sie ihren alten Vater noch nicht mal zu Weihnachten besuchen. Ich seh´s vor mir: Wir setzen einen lieben alten Mann an einen großen Tisch, im Hintergrund der Weihnachtsbaum und vom Anrufbeantworter eine Nachricht: ‚Du Papa, es tut uns echt leid, aber wir schaffen es nicht. Nächstes Weihnachten besuchen wir dich aber bestimmt.’ Und dann die traurigen Augen des Alten. Und die Szene gleich ein paar Mal mit unterschiedlichen Klamotten, damit klar wird, dass sich das Weihnachten für Weihnachten wiederholt.“

Theologin: „Aber im Gleichnis geht es dem Sohn schlecht und er denkt an seinen Vater und bereut sein Verhalten und kommt zurück.“

Werbemanager: „Also, da müssen wir eben irgendeinen anderen Auslöser einbauen, dass die an den Alten denken und heimkommen. Ist vielleicht ein bisschen makaber, aber der Vater könnte doch seine eigene Todesanzeige verschicken? Und da wird seinen Kindern plötzlich bewusst, dass sie schuldig geworden sind an ihrem alten Vater, und wenn sie dann weinen und sich zur Beerdigung treffen...“

Theologin: „Aber wie im Gleichnis verzeiht der Vater ihnen und schließt sie in die Arme und freut sich, und sie feiern ein großes Fest.“

Werbemanager: „Genau, sie feiern Weihnachten zusammen und der bei uns gekaufte Gänsebraten bildet den Mittelpunkt! Und als Botschaft blenden wir ein: Zeit heimzukommen.“

Theologin: „Das passt gut zum Advent: Zeit heimzukommen. Eine Zeit, sich zu besinnen auf Gott, unseren Vater, der uns in seinem Sohn begegnen will. Und wie im Gleichnis gibt Gott uns die Chance dazu, uns auf den Weg zu machen zu ihm, heimzukommen.
Aber das zu reduzieren auf eine Familienfeier und ein Weihnachtsfest, bei dem der Gänsebraten und nicht die Krippe im Mittelpunkt stehen, ist mir zu flach.“

Werbemanager: „Mag sein, aber dieser Clip wird mega erfolgreich, das gucken sich die Leute an, das kommentieren die. Und Sie können Ihre Meinung dazu doch auch loswerden - zum Beispiel in einem Fixpunkt in der Rhein-Zeitung!“

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