Tomatendank

Von Carmen Tomaszewski, Evangelische Pfarrerin in der Gefängnis- und Telefonseelsorge

Von Carmen Tomaszewski
Evangelische Pfarrerin in der Gefängnis- und Telefonseelsorge

Sie ist ein Stadtkind. Lieber Kultur als Natur, mehr so das pralle Leben als Blümchen pflücken. Aber es hat sie dieses Jahr erwischt: „mexikanische Honigperlen“ stand auf dem Tütchen. Süß und lecker. Sie hat ja diesen kleinen Balkon. Also auf ins Abenteuer: Anzuchterde und Töpfchen. Auf der Fensterbank. Wie verhindert man, dass das zu schnell austrocknet? Wann tut sich da was? Immerhin drei von fünf Samen wachsen. Wann soll sie die umtopfen? Mist, eine Pflanze ist weggeschrumpelt. Also nur zwei. Wie lange dauert das mit dem Blühen? Gut, dass es auf Youtube sogar dafür Tutorials gibt, sonst hätte sie das mit dem ausgeizen nicht gewusst. Über den Sommer sind die Dinger durstig. Manchmal muss sie vor und nach der Arbeit gießen. Und einen Stock daneben stellen, weil der Wind die Pflanzen umpusten will. Eine wäre beinahe abgeknickt. Sie ist froh, dass das Dach schützt. Sie weiß nämlich jetzt, dass Tomaten bei Regen platzen. Unschön. Das kann schimmeln. Als die erste Frucht rot wird, kann sie es kaum erwarten. Die ist mehr dunkelorange. Honigsüß ist die nicht. Aber tomatig. Also mehr Geduld. Eigentlich dauert das ganz schön lang. Ob sie was verkehrt gemacht hat? Die aus dem Laden sind schon ab Anfang des Sommers ganz o.k. Bei ihr hat die Ernte fast bis Oktober gedauert. Aber es ist auch toll: Aus der Erde, aus ihrer Pflege und mit Sommersonne ist etwas gewachsen. Manchmal glaubt sie, dass war mehr Glück als Können. Alle paar Tage kann sie davon naschen. Und jetzt schmecken sie auch. Nach Geduld. Nach Ausdauer. Nach Liebe. Sie ist dankbar, dass das geglückt ist. Und sieht zum ersten Mal, wie viel Arbeit und Unverfügbares hinter ein paar Tomätchen steht. Ihr kleiner Balkon ist in diesem Sommer lebendiger geworden. Und irgendwie guckt sie anders in die Welt. Ist nicht nur stolz auf ihr Werk, sondern dankbar für das Viele, was gar nicht in ihrer Hand lag. In dem Tütchen sind noch ein paar Samen drin. Mal schauen, was nächstes Jahr wächst.

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