Probierzeit

Von Pfarrerin Carmen Lamsfuß
Evangelische Kirchengemeinde Koblenz-Mitte

Sie ist immer ein wenig unsicher, wenn das Patenkind zu Besuch kommt. Was braucht, was will eine 11jährige vom Leben? Aber sie freut sich auch, weil es immer eine Herausforderung ist, miteinander die geschenkte Zeit zu gestalten.  Denn es ist ja keinem damit gedient, wenn es nur dem Patenkind, aber nicht der Patentante gut geht.  Und zugleich braucht es eine Ebene, wo sich Erwachsene und Heranwachsende begegnen. Wo beide vorkommen. Wo jeder kriegt, was er braucht. So wird der Besuch zur Probierzeit. „Was wollen wir miteinander tun?“ „ Wieviel Pause brauche ich, wieviel brauchst du?“ „Und was machen wir eigentlich beide gern?“ „was wollen wir essen? Und wann?“ Und obwohl sie sich vorher so viele Gedanken gemacht hat, ob man irgendwelche Events organisieren muss (zumindest sagt das ihr Vorurteil über Jugendliche) wird es plötzlich ganz anders. Ein Tag mit Marmelade kochen. Ein gemeinsames Bild malen. Miteinander überlegen, welches Motiv, welche Farben, was wie und wo. Letztendlich gemeinsam eine kubistische Katze entwerfen. Und dann am nächsten Tag immer noch Lust auf gemeinsames Gestalten. Endlich wieder mal miteinander mit Ton arbeiten. Und währenddessen  die Balance halten, zwischen Helfen und Dreinreden und machen lassen und ermutigen und sein eigenes Ding machen.

Es ist Probierzeit für beide. Was geht gemeinsam?  Was tut uns miteinander gut? Wo sind Grenzen? Und irgendwie wächst für beide die Freude. Am gemeinsamen Tun. Und an ihrem Miteinander Sein.  Und irgendwie wächst auch die Zuneigung. Die Vertrautheit. So oft sehen sie sich ja nicht. Aber sie erleben, wie sie einander mögen. Und das Vertrauen wächst. Was für ein Geschenk.